GEW Bayern zur hohen Zahl von Zurückstellungen am Schulanfang: Schulen kindgerecht machen!

Während am Donnerstag für etwa 107 000 „Erstklässler“ die Schule beginnt, gehen tausende 6-jährige Kinder noch ein weiteres Jahr in den Kindergarten oder bleiben zuhause – obwohl sie von der Gesetzeslage her einzuschulen wären.

Besorgte Eltern trauen ihren Kindern noch nicht zu, den Herausforderungen der Schule und dem damit verbundenen Stress gerecht zu werden. Insbesondere bildungsorientierte Eltern, die für ihre Kinder selbstverständlich das allgemeine Abitur zum Ziel haben, suchen ihre individuellen Lösungen. Die Kinder sollen noch ein Jahr „Schonraum“ für ihre Entwicklung haben, um dann die ersten vier Schuljahre und das Grundschulabitur besser zu überstehen und für das „G8“ gerüstet zu sein. Mütter in „besseren“ Kindergärten sprechen sich lang vor der Schuleinschreibung ab, wie eine Rückstellung am leichtesten zu erreichen sei, auch schon, wenn die Kinder gerade einmal drei Jahre alt sind.

Dazu Gele Neubäcker, Vorsitzende der GEW Bayern: „Ich habe vollstes Verständnis für alle Eltern, die für ihre Kinder einen möglichst „hohen“ Schulabschluss anstreben, denn ein solcher ist nach wie vor die beste Voraussetzung für ein gutes Einkommen im Beruf. Alle OECD-Vergleichsstudien zeigen, dass die Einkommenshöhe mit der „Höhe“ des Bildungsabschlusses steigt, und die Wahrscheinlichkeit, arbeitslos zu werden, entsprechend sinkt. Das Problem, dass die Grundschule ihrer Aufgabe gerecht werden muss, alle Kinder entsprechend ihrem persönlichen Entwicklungsstand gut zu fördern, lösen solche Reaktionen aber nicht, sie sind eher kontraproduktiv.“

Auf der anderen Seite gibt es Kinder, die aufgrund ihrer v. a. sprachlichen Entwicklung dem Unterricht voraussichtlich nicht folgen können und deshalb zurückgestellt werden. Oft wachsen diese Kinder zweisprachig auf und sind in keiner der beiden Sprachen sicher genug, um erfolgreich zu lernen. Diesen Kindern ist i. d. R. nicht geholfen, wenn sie das letzte Kindergartenjahr einfach wiederholen oder gar zuhause bleiben, sie brauchen effektive (Sprach-) Förderung.

Neubäcker: „Daher kann es nur eine Lösung geben: Die Schule kindgerecht zu machen! Schule muss alle Kinder, die sechs Jahre alt sind, aufnehmen und willkommen heißen! Sie muss personell, räumlich und materiell so ausgestattet sein, dass sie allen Kindern passende Lernangebote machen kann!“

Ein Schritt in die richtige Richtung ist für die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft eine neue Schuleingangsphase, die Kinder in einem, zwei oder drei Jahren durchlaufen können, um dann in die dritte Klasse aufzusteigen. Unter den derzeitigen personellen Bedingungen mit höchstens fünf zusätzlichen Lehrer- bzw. Förderlehrerstunden pro Woche ist eine gute Förderung aller Kinder jedoch nicht möglich, schon gar nicht, solange die meisten Kinder noch in Klassen mit über 20 SchülerInnen sitzen. Dies ist weder den Kindern noch den LehrerInnen zuzumuten!

„Eine kindgerechte Schule bietet nicht nur gute „Startbedingungen“ für alle Kinder, sie verzichtet auf permanente Leistungskontrollen, die alle Kinder über einen Kamm scheren, und auf Auslese und Zuordnung von Zehnjährigen in verschiedene Schularten. Sie fühlt sich für alle Kinder bzw. Jugendlichen zuständig und verantwortlich, und sie ist die Schule der Zukunft! Unsere Prognose, dass das überkommene, selektive Schulsystem vergangener Jahrhunderte den Herausforderungen der Gegenwart und dem Menschenrecht auf gleiche Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen nicht gerecht wird und in absehbarer Zeit zusammenbrechen wird, findet gerade in den letzten Wochen öffentliche Zustimmung von namhaften Wissenschaftlern und auch in der Presse,“ so Neubäcker abschließend.

Pressemitteilung 09/2012 v. 12.9.2012
GEW Bayern

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