IPPNW fordert Verlängerung des Abschiebestopps
Innenminister diskutieren über Aufweichung des Abschiebeverbots nach Syrien
Stellungnahme: Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW)
Auf der Innenministerkonferenz vom 09.-11. Dezember 2020 soll erneut über ein Ende des uneingeschränkten Abschiebestopps nach Syrien diskutiert werden. Ein Großteil der Innenminister sprach sich in jüngster Vergangenheit für eine Aufweichung des Verbots aus. Ab dem 01. Januar sollen straftätig gewordene Personen sowie sogenannte Gefährder abgeschoben werden können – auch wenn ihr Leben im Zielland gefährdet ist. Laut IPPNW-Vorstandsmitglied Carlotta Conrad ist dies „ein verheerendes Signal an alle Geflüchteten aus Syrien: Hier in Deutschland seid Ihr nicht sicher! Dabei ist Sicherheit die Voraussetzung, um mit vergangenen Traumata fertig zu werden.“
Syrien ist kein sicheres Land. Zu dieser Einschätzung kommt auch das Auswärtige Amt in seinem letzten Lagebericht. In diesem heißt es: „In keinem Teil Syriens besteht ein umfassender, langfristiger und verlässlicher Schutz für verfolgte Personen.“ Nach UNHCR halten sich in dem Land mit weitgehend zerstörter Infrastruktur 2,6 Millionen Binnengeflüchtete auf. Der Krieg ist nicht beendet. In vielen Gebieten kann es jederzeit zu neuen Eskalationen kommen. Es gibt keine Meinungsfreiheit. Verhaftungen und Folter sind ein gängiges Mittel der Regierung Assad, von dem selbst Frauen und Kinder betroffen sind. Auch der UNHCR warnt vor Abschiebungen nach Syrien: zurückgeführte Personen seien besonderen Sicherheitsrisiken ausgesetzt.
Laut dem IPPNW-Arzt Ernst-Ludwig Iskenius ist die Debatte um die Abschiebung von Strafttätern und sogenannten Gefährdern aus Syrien populistisch: „Die Diskussion um Abschiebungen nach Afghanistan begann am Anfang genauso“, erklärt der Arzt. Zudem stünden Straftäter aus menschenrechtlicher Sicht die gleichen Schutzrechte zu wie anderen – diese werden ihnen jedoch so genommen. Dies bezieht sich beispielsweise
auf die internationale Folterverbotskonvention oder die Europäische Menschenrechtskonvention, in denen Pflichten zur Nichtzurückweisung festgelegt sind. „Wir können und müssen mit Straftätern rechtsstaatlich umgehen. Die juristischen Instrumente dafür haben wir“, so Iskenius.
Problematisch an der Diskussion um Abschiebungen nach Syrien ist vor allem die psychische Auswirkung auf Personen aus Syrien. Laut einer AOK-Studie von 2018 über die Traumatisierung von Menschen aus Bürgerkriegsländern wie Syrien, Irak und Afghanistan, erleben drei von vier Personen eine Traumafolgestörung. 30 Prozent von ihnen haben mehr als drei schwere Traumata erlebt. „So viele Menschen können am Ende gar nicht abgeschoben werden“, meint Iskenius. „Aber durch diese Debatte findet eine völlige Verunsicherung statt, die aus Syrien geflohene Personen weiter zermürbt. Es ist ein ungesunder Prozess der Angst, der mit solchen Debatten beginnt.“
8.12.2020
Angelika Wilmen
IPPNW
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