Begründung der einstweiligen Anordnung zur Auslieferung eines deutschen Staatsangehörigen nach Ungarn
Das Bundesverfassungsgericht berichtete:
Am heutigen Tag hat die 1. Kammer des Zweiten Senats die Begründung des am 28. Juni 2024 bekanntgegebenen Beschlusses veröffentlicht, mit dem sie die Übergabe eines deutschen Staatsangehörigen, des Antragstellers, an die ungarischen Behörden im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt und die Generalstaatsanwaltschaft Berlin angewiesen hatte, durch geeignete Maßnahmen eine Übergabe des Antragstellers an die ungarischen Behörden zu verhindern und seine Rückführung in die Bundesrepublik Deutschland zu erwirken (vgl. Pressemitteilung Nr. 55/2024 vom 28. Juni 2024).
Dem Antragsteller, der sich als non-binär identifiziert, wird in Ungarn zur Last gelegt, im Februar 2023 gemeinsam mit weiteren Personen Sympathisanten der rechtsextremen Szene in Budapest angegriffen zu haben. Im Dezember 2023 wurde er in Berlin festgenommen. Am 27. Juni 2024 erklärte das Kammergericht seine Auslieferung nach Ungarn für zulässig. Der Beschluss ging dem Bevollmächtigten des Antragstellers eigenen Angaben zufolge am selben Tag um 17.26 Uhr zu. In der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 2024 wurde mit der Überstellung des Antragstellers begonnen. Seine Übergabe an die österreichischen Behörden zwecks Durchlieferung nach Ungarn erfolgte um 6.50 Uhr. Um 7.38 Uhr ging sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht ein.
Dieser Antrag hat Erfolg. Es bedarf weiterer verfassungsgerichtlicher Prüfung, ob das Kammergericht Bedeutung und Tragweite von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) und die damit verbundenen Aufklärungspflichten in Bezug auf die Haftbedingungen in Ungarn ausreichend berücksichtigt hat. Zudem begegnet die Durchführung des Überstellungsverfahrens erheblichen Bedenken hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den Anforderungen eines effektiven Rechtsschutzes.
2.8.2024
Bundesverfassungsgericht
bundesverfassungsgericht.de
→ siehe dazu auch: Solidarität mit Hanna und Maja