Die Reihen fest geschlossen!

Der Kommentar zum Zeitgeschehen

von Jürgen Scherer*

Mit dem im Titel genannten Motto könnte man die Aktivitäten zusammenfassen, die derzeit allenthalben zu beobachten sind, um unsere Jugend zu zukünftigen Kriegern und Kriegerinnen zu ertüchtigen. Und man muss sagen, dass die Kriegsertüchtiger kein Register auslassen, um ihr Ziel zu erreichen: Das geht von Angstmache, über Appelle an „Heldentum“, Abenteuerlust und Verantwortung bis hin zur Verdummung:

     Angstmache geht z.B. so: Die Russen kommen in sechs Jahren auch zu uns. Frag Deinen Uropa, sofern er noch lebt. Sie sind wirklich so gnadenlos, wie Du es aus Berichten über die Ukraine erfahren kannst. Lass es nicht soweit kommen, geh zum Militär, sei gewappnet.
 
   Appelle streut man so: Als verantwortlicher oberster Kriegsertüchtiger im Ministerium fürs Militärische beauftragt man die zuständige Abteilung zur Rekrutierung von jungen Menschen mit diversen Werbekampagnen, z.B. das bundesweite Erscheinen von Plakaten mit Slogans wie „Das Gefühl, dass eine ganze ARMEE hinter Dir steht. Weil Du es kannst“ oder „Du bringst Panzer zum Fliegen. Weil Du es kannst.“ oder „Mit Hightech Haltung zeigen. Weil Du es kannst.“ Oder man lässt eine Bildgeschichte auflegen mit dem Titel    “ Ben. Dient. Deutschland“, die  online mit einem Klick zu haben ist und zeigt, was verantwortliches Handeln heutzutage sein soll. Und und und …
 
     Auf eine andere Art Verantwortung einfordern geht z.B. so: Gutes Vorbild sein, wie der derzeitige Hauptkommunikator der Grünen, Habeck, der permanent von „Dienen“ spricht und sich auch so sieht: Der bundesdeutsche Diener vor dem Herren; glänzend formuliert auf dem letzten Bundesparteitag mit den Worten Deutschland müsse „führend dienen“ in dieser fragilen Welt. Großer Beifall, auch von der „Grünen Jugend“. „Dienen“, das neue Zeitgeistwort. Gehegt und gepflegt von den weiland rebellischen Grünen.
 
     Weiter mit Verantwortungsappellen:
Bei Herrn Merz, dem Aspiranten auf die Kanzlerstelle, im Frühjahr kommenden Jahres hört sich das so an, wenn er unsere Jugend im Visier hat: „Ihr lebt in einem Land, in dem ihr alle Chancen habt, – so gut wie in wenigen anderen Ländern der Welt“ … „Heißt auch, wir können und dürfen etwas von euch erwarten.“ … „Frieden gibt’s auf jedem Friedhof. Freiheit gibt es nur in offenen, demokratischen, liberalen Gesellschaften“. In solchen Formulierungen ist alles drin, was einen zukünftigen Regierungschef bewegt: Eine Jugend, die dankbar bereit ist, allzeit für ihr Land da zu sein. (Herr Habeck würde es „Dienen“ nennen.)  Bei Merz kommt allerdings eine unfreiwillig ernste Note hinzu, er spricht auch von „Friedhofsruhe“ und damit, quasi per freud’schem Einschub, von der auch möglichen Zukunft im Dienste des Landes, Friedhofsruhe genießen zu dürfen. Man muss ja heutzutage schon für jedes Krümelchen Wahrheit dankbar sein, das sich in Politikerreden einschleicht.
 
     Verdummungsbeispiele gibt es ohne Ende: Nehmen wir alleine die Aussage, der Russe stehe demnächst vor unserer Haustür. Dümmer geht’s wirklich nimmer. Wer sowas sagt, geht davon aus, dass die russische Regierung bereit ist, einen Atomkrieg mit Strafe des eigenen Untergangs zu riskieren. So blöd ist kein russischer Regierungschef! Wollt ihr uns für blöd verkaufen! 
Ständig wird von Landesverteidigung gefaselt, aber eigentlich geht es um Geopolitik, für die Kanonenfutter gebraucht wird. Das wird verschwiegen. Aber die Tatsachen sprechen eine andere Sprache! Z.B. fahren ständig irgendwelche deutsche Fregatten, also Kriegsschiffe, in chinanahen Gewässern umher und üben mit anderen westlichen und dem Westen verbundenen Ländern kriegerische Zusammenarbeit auf See, Manöver nennt man sowas oder Bedrohungsszenarien. Wozu? 
 
    Also ich brauche keine geopolitischen Abenteuer in fernen Landen. Mit der uns vorgegaukelten Landesverteidigung hat das nichts zu tun. Man vergesse Afghanistan nicht: Der damals zuständige Minister fürs Militärische, der Sozialdemokrat Struck (interessant, nicht wahr; heute ist wieder ein Sozialdemokrat fürs Militärische verantwortlich), meinte, in Afghanistan werde Deutschlands Freiheit verteidigt. Heute wissen wir, außer Friedhofsruhe (s.o.), auch für viele unserer Soldaten, nichts übrig geblieben.
Lassen wir uns nicht die Gehirne vernebeln angesichts des Dauerfeuers, das die meisten PolitikerInnen unseres Landes mit rednerischen Blendgranaten, Streubomben und Nebelkerzen aller Art auf uns abschießen. Unsere Jugend ist diesem Land nicht zum Opfergang verpflichtet. Verpflichtet sind vielmehr unsere PolitikerInnen uns allen gegenüber zu unermüdlichem diplomatischem, gesprächsbereitem, kompromissbereitem, geduldigem Einsatz für Frieden und Freiheit, wie ihr Auftrag gemäß GG lautet, auf das sie vereidigt wurden und werden. Frieden ist das oberste Gebot, nicht Bellizisterei und Vabanquespiel mit uns und der Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder!
Vielleicht sollten wir, zusammen mit unserer Jugend, unsere Reihen fest schließen und mit Menschenketten allüberall zeigen, wie wichtig es tatsächlich ist zu „Dienen“ – dem Frieden! 

*Jürgen Scherer ist ehemaliger Lehrer für Geschichte und Politik an einer hessischen Gesamtschule und GEW-Mitglied. Er schrieb früher für das Magazin Auswege, jetzt für seinen Nachfolger – das GEW-MAGAZIN.


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