Unser Vergessen…
Der Kommentar zum Zeitgeschehen
von Jürgen Scherer*
…das Ass in ihrem Ärmel! Es ist ja durchaus normal, dass wir Menschen Dinge vergessen, schließlich sind wir keine KI. Aber es ist zu Zeiten fatal, Dinge zu vergessen, gerade im gesellschaftlich-politischen Bereich. Denn solche Vergesslichkeit wird von interessierter Seite oft gnadenlos ausgenutzt. Zurzeit zeigt sich dies anschaulich in der Klimadebatte.
Man kann ja nun gegen die Grünen um Herrn Habeck sagen, was man will, aber eines muss man ihnen zugute halten: Ihr eisernes Festhalten am Antiklimazerstörungskurs ist nach wie vor aller Ehren wert und sollte eigentlich längst in der DNA unserer ganzen Gesellschaft verankert sein.
Aber dem ist nicht so: Die unselige Autolobby beharrt zusammen mit der „FreieFahrtfürFreieBürgerPartei“ auf dem VerbrennerMotor mit all seinen umweltschädlichen Wirkungen. Der FreieFahrtBürger haut lieber den KlimaschützerInnen der Letzten Generation eins auf die Schnauze als den CO2 verschleudernden PolitikerInnen die Gefolgschaft zu versagen. Und auch dies sollte nicht vergessen werden: Die Kriegstüchtigkeitsziele der Ampel und ihres Protagonisten Pistorius werden außer den absehbaren Toten aus unserer Gesellschaft eine Unmenge an CO2-Verschleuderung mit sich bringen. Da helfen auch die scheinheiligen Pläne der EU nichts, die die Rüstungsindustrie für nachhaltig erklären will. Dümmer geht immer, könnte man dazu sagen. Wollen die uns etwa sagen, den gegenwärtigen Militarismus fördernde Produktion von Kriegsgerät sei ein nachhaltiges Konzept? Allein schon die Dauermanöver allüberall pusten mehr CO2 in die Atmosphäre als die Urlaubsflüge auf die Kanaren etc., von aktuellen Kriegen und ihren mörderischen Folgen nicht zu schweigen.
Und damit diese CO2-Pusterei nicht noch schlimmer werden soll, kriecht urplötzlich die vergessen geglaubte Atomlobby aus ihrem Verhau und preist uns die Atomkraft wieder einmal als segenbringende Rettung an, sozusagen als Königsweg ins CO2-freie Paradies.
Bullshit kann ich da nur sagen.
Sie bauen frech und dreist darauf, dass in unserer Gesellschaft vergessen wurde, welch unabwägbare Risiken, bei aller CO2-Freiheit, diese Technologie in sich birgt: Strahlender Atommüll über tausende von Jahren, sogenannte Endlagerprobleme desselben, die bis heute nicht gelöst sind und wohl auch unlösbar sind. Allein schon der Begriff Endlager ist Rosstäuscherei: Eigentlich bedeutet er nämlich Lagern bis zum Ende, unserem natürlich.
Schon vergessen?
Die Fässer in Asse 2, in denen „mittelradioaktiver Müll“ gelagert ist, rosten langsam vor sich hin und es besteht die Gefahr, dass das Grundwasser in dem uns ach so sicher angepriesenen Salzstock verseucht wird. Und was die Castorbehälter in ihrem Zwischenlager ausbrüten, wissen wir auch nicht. Die Höllengefahren, die von dieser Technologie ausgehen, ließen sich endlos aufzählen. Aber das ist derzeit nicht opportun. Die Atomlobby hofft vielmehr darauf, dass gerade die klimabewusste Jugendbewegung auf den Atomzug aufspringt. Hoffentlich lässt diese sich von diesen scheinheiligen Atomflüsterern nicht übertölpeln und bleibt bei ihrem vehementen VETO. Man kann den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreiben. Dass das der falsche Weg ist, wurde uns schon vor Jahrzehnten in Bayern erfolgreich vor Augen geführt, als in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts die atomare Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Wackersdort von der Bevölkerung verhindert wurde! Schon vergessen?
Was wir alle auf keinen Fall vergessen sollten: Die Menschen in unserem Land stellen mit ihren Steuergeldern den PolitikerInnen genügend Geld zur Verfügung, um das Leben in unserer Gesellschaft sinnvoll und lebenswert gestalten zu können. Die „Gestaltenden“ verteilen es aber skandalöserweise nach dem Slogan: In der Rüstung san mer fix, für die Gsellschaft mach mer nix!
*Jürgen Scherer ist ehemaliger Lehrer für Geschichte und Politik an einer hessischen Gesamtschule und GEW-Mitglied. Er schrieb früher für das Magazin Auswege, jetzt für das GEW-MAGAZIN.
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