Hasardeure im Vollrausch
Der Kommentar zum Zeitgeschehen
von Jürgen Scherer*
Immer, wenn Du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Denkste, kann ich da nur sagen. Denn was dieser Tage von der politischen „Elite“ unseres Landes auf den militaristisch-unverantwortlichen Weg gebracht werden soll, ist blanker Wahnsinn, der unsinnigerweise auch noch von den staatstragenden Medien nahezu vorbehaltlos unterstützt wird.
Dieser Wahnsinn hat nicht allein Methode, er hat auch einen Namen: Sondervermögen.
Einen schönfärberischeren Begriff für’s vollrauschige Schuldenmachen auf unser aller Kosten kann man sich ja gar nicht ausdenken; koste es, was es wolle! Nun könnte man ja sagen, dass es manchmal ohne Schuldenmachen nicht geht, wenn ein Staat für die gute Zukunft seiner BürgerInnen vorsorgen möchte; einverstanden. Was aber, wenn der Staat mit den geplanten Schulden geradezu blindlings in das vorhersehbare Verderben seiner BürgerInnen investiert?
Mal nicht so polemisch, wird manche/er sagen. Es geht doch um unsere Sicherheit. Da darf man nicht so zimperlich sein beim Schuldenmachen. Da kann ich nur entgegnen, dass gerade beim Schuldenmachen im Militärbereich höchste Zimperlichkeit an den Tag gelegt werden müsste. Schließlich hat Rüstung als Hauptziel den Einsatz der produzierten „Rüstungsgüter“, und zwar mit den ganz „normalen“ Kollateralschäden: Tod und Zerstörung; also ohne Aussicht auf eine humanitär-fortschrittliche Rendite.
Weil aber die Befürworter dieser Art von Sondervermögen dies uns nicht so ungeschminkt sagen wollen (schließlich werden ja im Fall des Falles Söhne und Töchter unseres Landes verheizt werden) ködern sie uns mit vermeintlichem Zuckerbrot.
In unserem Fall trägt das Zuckerbrot die Bezeichnung Infrastruktur. Und gleich soll jede/r denken: ‚Endlich Schluss mit maroden Brücken, kaputten Autobahnen, unzuverlässigen Bahnfahrten, kläglichem Internet usw. usw. Dann sollen se halt die „Sondervermögen“ auf den Weg bringen.‘ Der Irrsinn, der allerdings hinter solchen Vorhaben steht, hat vielerlei Gesichtspunkte. Er stellt sich nämlich u.a. so dar:
Zunächst einmal ist schon der Begriff Infrastruktur eine ausgemachte Augenwischerei, weil wir ihn ja von unserem Grundverständnis her mit zivilen Vorhaben in Verbindung bringen. Aber in den für die Zukunft vorgesehenen Maßnahmen steckt ein gerüttelt Maß an Militärinvestitionen, die zu dem „Sondervermögen Militär“ noch hinzukommen. Ein Großteil der Baumaßnahmen an Brücken, Straßen und Autobahnen dient nämlich zuvörderst der „Ertüchtigung“ dieser Gebilde für zum Teil hochmodernes, zum Teil überschweres und überbreites militärisches Gerät, das derzeit nicht so ohne Weiteres auf unseren Straßen unterwegs sein könnte. Nicht anders ist es mit der Bahnertüchtigung; die Bahn muss funktionieren, wenn’s gegen den Feind gehen soll.
So wird dann schwuppdiwupp ein beträchtlicher Teil der Infrastrukturschulden, pardon des Infrastruktursondervermöges, im militärischen Moloch verschwinden. Schaun mer mal, was dann noch übrigbleiben wird für die wirklich wichtigen Infrastrukturmaßnahmen…
Auf jeden Fall ist eines schon jetzt gewährleistet in unserer verkehrten Welt: Parallel zu den Ausgaben, mit denen Deutschland für den nächsten Krieg gerüstet werden soll, wird der „Wiederaufbau“ dessen geleistet, was danach zerstört werden kann.
Der Wahnsinn hat Methode!
Damit wir diesen Wahnsinn ergeben hinnehmen, kommt zu dem falschen Zuckerbrot auch noch die dauermediale (Ein)Peitsche: Jeden Tag bekommen wir ausführlich vorgeführt: Wenn wir nicht brav unserer „Elite“ folgen, wird die Konsequenz in gar nicht zu ferner Zukunft sein: Tod und Zerstörung wie in der Ukraine.
Dass ein solches Szenario totaler Unsinn ist, weil die russische Regierung nie und nimmer unser Land angreifen könnte, ohne ein atomares Inferno, inkl. des Untergangs Russlands, zu riskieren, liegt für jeden nicht von irrationaler Angst zerfressenen Menschen auf der Hand. Dennoch spielen unsere Regierenden, wie Pokerspieler, mit dieser Möglichkeit, um uns zu bluffen und ihr hasardeurisches Aufrüstungsspiel mit uns treiben zu können.
Lassen wir uns auf ihr Spiel nicht ein. Angst ist ein schlechter Ratgeber, wenn sie mit allen Mitteln herbeimanipuliert wird. Wir haben einen Anspruch auf faires Miteinander und auf eine vernunft- und friedensgeleitete Zukunft, wie sie unser Grundgesetz handlungsleitend vorschreibt. Außerdem verlangt der Eid, den die zukünftigen Regierungsverantwortlichen leisten müssen unmissverständlich von ihnen, den vom Volk beauftragten Regierenden, „Schaden vom deutschen Volk abzuwenden“.
Ein solcher Eid beinhaltet für mich ohne Wenn und Aber die Absage an jegliche Geldverschwendungsorgie für Aufrüstungs – und Militarisierungsvorhaben!
*Jürgen Scherer ist ehemaliger Lehrer für Geschichte und Politik an einer hessischen Gesamtschule und GEW-Mitglied. Er schrieb früher für das Magazin Auswege, jetzt für das GEW-MAGAZIN.
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