Ruhe bewahren

Der Kommentar zum Zeitgeschehen

von Jürgen Scherer*

Sie wollen uns zu HysterikerInnen machen. Erstens sollten wir erkennen, wie sie das anstellen. Zweitens sollten wir wissen, wer „sie“ sind. Drittens sollten wir uns wappnen!

Keine Angst, hier geht es nicht um Verschwörungstheorien, im Gegenteil, es geht um nackte Tatsachen unserer Zeit. Schaun mer mal.

Zu Erstens: Jeden Tag wird eine andere ‚kriegssschwangere Sau“ durchs Dorf getrieben, manchmal auch eine ganzes Rudel. Es gibt ja schließlich Steigerungsmöglichkeiten. Eines ist das diese Woche angelaufene Manöver „Red Storm“ in Hamburg. Bei diesem soll von Donnerstag bis Sonntag die Hansestadt quasi in einen Belagerungszustand versetzt werden. Die Straßen werden vom Hafen ausgehend gebraucht, um NATO-Gerät und – Truppen gen Osten in Marsch zu setzen. Da dieses Szenario so realistisch wie möglich ablaufen soll, wird entsprechender Kriegslärm über die Stadt hereinbrechen, Tag und Nacht. Schließlich sollen die BürgerInnen schon mal lernen, wie sich das anfühlt, wenn „wir“ uns gegen den „Bösen Russen“ wehren müssen – vom Kleinkind bis zum Greisenalter; manche Greise und Greisinnen werden sich wohl noch an die „0peration Gomorrha“ erinnern, als „Alliierte Bomber“ im Zweiten Weltkrieg die Stadt zu zwei Drittel dem Erdboden gleich gemacht haben, mit tausenden von Töten.

Na ja, dann können die ja den Verängstigten von heute sagen: Da seht ihr mal, wie das ist. So isses halt oder zumindest so ähnlich. Wie sonst sollen die das Lernziel Kriegsangst erreichen, die erwünschte Wirkung zur Förderung der heutigen Kriegstüchtigkeit? Hoffen wir mal, dass dieser Schuss nach hinten losgeht.
 
Auch wenn mit Sicherheit, sozusagen manöverbegleitend, die ARD auf allen Kanälen über die Notwendigkeit solcher „Übungen“ berichten wird; vom ZDF ganz zu schweigen. Und bestimmt kommt gleich danach ein Bericht über das Geschehen in der Ukraine.
 
Schließlich sollen diese Berichte unter die Haut gehen, uns aufwühlen und so sehr ängstigen, dass wir für weitere Schritte zur Kriegsertüchtigung bereit sind; möglichst so verängstigt, dass wir nur noch abnicken, was sie wollen, die Kriegsertüchtiger unserer Tage.

Damit sind wir schon bei Punkt 2 der obigen Aufzählung, bei den „sies“.
Das ist u.a. Bundeskanzler Merz mit seiner Maxime „Whatever it takes“ („it“ bedeutet in diesem Fall: Menschen(!) und Material). Das ist zum zweiten der ehemalige Obergefreite und jetzige Minister für das Militärische: Boris Pistorius, der derzeit außer mit seinem Kriegstüchtigkeitsmantra mit einem weiteren Lernziel unterwegs ist, das da heißt: Bedrohungslage vor Kassenlage!

Diese Maxime sollen wir verinnerlichen, damit wir uns schon mal auf die für uns vorgesehene „Schmalhanszeit“ einstellen können und dann auch leichter zur Schlachtbank gehen können.

Weitere „sies“ spare ich mir aufzuzählen; die kann jede/r selbst ergänzen, sei es auf örtlicher oder überörtlicher Ebene.

Tatsache ist, dass momentan die Schlagzahl erhöht wird, was die Angstmache in unserer Gesellschaft angeht und eine gewisse hysterische Desorientierung von den „sies“, sei es nun bewusst oder unbewusst, durchaus erwünscht ist. Wer desorientiert ist lechzt nach Hilfe, öffnet sich Zielen, ist bereit.

Damit komme ich zu Punkt 3 der in der Einleitung genannten Aufzählung.
Für uns ist wichtig, dass wir uns von diesem Trommelfeuer der Propaganda nicht zermürben lassen, einer evtl. aufkommenden Hysterie keine Chance geben, sondern einen kühlen Kopf und ein ebenso kühles Herz bewahren. Beides kann uns helfen, Ruhe zu bewahren und uns auf unsere eigentlichen Interessen zu besinnen. Und das sind ganz banal: Frieden, Freude, Eierkuchen. Dazu benötigen wir keine stressenden und geldverschleudernden Manöver, keine weltgeschichtsversessenen PolitikerInnen, keine rüstungsgeilen Verantwortliche, keine, keine, keine… 

Wir brauchen von den von uns Gewählten eine klare Kante für Friedenspolitik ohne Säbelrasseln, für Verständigungsdiplomatie, für Nachbarschaftspflege unter den Völkern, für Friedenserziehung, für basisdemokratische Mitbestimmung und und und  …

Für diese Ziele müssen wir Ruhe bewahren, Kräfte sammeln und uns zivilcouragiert den derzeitigen Polit-Hasardeuren verweigern bzw. in den Weg stellen! 


*Jürgen Scherer ist ehemaliger Lehrer für Geschichte und Politik an einer hessischen Gesamtschule und GEW-Mitglied. Er schrieb früher für das Magazin Auswege, jetzt für das GEW-MAGAZIN.
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