Elitengeflüster!

Der Kommentar zum Zeitgeschehen

von Jürgen Scherer*

Eigentlich ist es eine Meldung, die ganz harmlos klingt und das soll sie wohl auch: Am Donnerstag Abend (Das war der 9. Oktober 2025; d. Verf.) treffen sich der Bundeskanzler und das Bundeskabinett mit den Richterinnen und Richtern des Bundesverfassungsgerichtes wieder einmal zu einem schon seit Jahrzehnten stattfindenden Abendessen – im Bundeskanzleramt. Dieses Treffen beruht auf der Wertschätzung der beiden Institutionen unseres demokratischen Staates zueinander. So in etwa der Wortlaut der Meldung.

Ist doch gut, wenn die sich zusammensetzen, schließlich sind sie für unser Land verantwortlich. So sollen wohl Otto und Elfriede Normalo denken. Ein Schelm also, der Böses dabei denken mag.  
Alles schön und gut. Aber solche Treffen haben, wie die Schwaben gerne sagen, ein „G’schmäckle“. Wieso dies so ist?

Weil sich hier das leitende Personal zweier Institutionen traf, die demokratietheoretisch getrennt voneinander tätig sein sollten. Hier die Exekutive in Gestalt der Bundesregierung, dort die Judikative, also die eigentlich unabhängige Rechtsprechungsinstanz, in Gestalt des Bundesverfassungsgerichts.

Dass die hinter verschlossenen Türen Smalltalk gemacht haben, glaubt nur, wer auch an die Jungfrauengeburt der Mutter von Jesus glaubt. Mithin liegt die Vermutung nahe, dass es auch, vielleicht sogar vornehmlich, um die derzeitige Lage in unserem Land ging, also „Kriegsertüchtigung“, „Wehrpflichtproblematik“, „AfD“-Verbot, Antrag des BSW auf erneute Stimmenauszählung für die letzte Bundestagswahl uvm. Alles Bereiche, die in irgendeiner Form die zukünftige Rechtsprechung des BVG betreffen könnten. Und da sollten solche Institutionen bzgl. ihrer wechselseitigen Unabhängigkeit voneinander keine Zweifel aufkommen lassen.
 
Die Zeiten, in der dieses „Traditionstreffen“ ins Leben gerufen wurde, nämlich die der „kuscheligen“ „Bonner Republik“, sind lange vorbei. Die knallharte „Berliner Republik“ sollte um ihrer eh schon ziemlich beschädigten Reputation willen den Verdacht der Kungelei zwischen Institutionen nicht noch mehr nähren als schon „unter“ Kanzlerin Merkel geschehen. Damals, im Coronajahr 2021, gab es ein ähnliches „Traditionsessen“ und nicht lange danach wies das BVG alle Beschwerden (das waren mehrere hundert) gegen das „Infektionsschutzgesetz“ zurück. Alles Zufall?

Tatsache ist, dass auch dieses Mal wieder ein Verfahren anstehen könnte, das für die Regierungsfähigkeit der amtierenden Bundesregierung große Bedeutung haben könnte; nämlich die Entscheidung, ob es zu einer Neuauszählung der Stimmen zur letzten Bundestagswahl kommen soll. Angenommen, es käme dazu und das BSW in den Bundestag, dann hätte die Regierung keine Mehrheit mehr – eine dann schwierige Gemengelage, zumal die „AfD“ schon in den Startlöchern steht. Über sowas spricht man doch. Oder nicht?

Wir wissen es nicht, weil die Inhalte dieser „informellen“ Treffen in keinem belastbaren anschließenden Kommunique öffentlich gemacht werden, außer dem pauschalen „Alles undnichtsHinweis“, dass es um die Zukunftsfähigkeit des GG gegangen sei.
 
Auch wenn das Ganze als „jahrzehntealte Tradition“ deklariert wird, ist der Umgang damit nicht mehr zeitgemäß. Entsteht doch letztlich der Eindruck von Mauscheleien bundesrepublikanischer Eliten über unsere Köpfe hinweg. Ganz zu schweigen von der Möglichkeit, dass solche „Interna-Treffen“ Verschwörungstheorien Tür und Tor öffnen.

In unserem demokratischen Gemeinwesen (zumindest betonen die Regierenden dieses Faktum immer wieder) sollte, nein: muss(!)Transparenz oberstes Gebot sein! 


*Jürgen Scherer ist ehemaliger Lehrer für Geschichte und Politik an einer hessischen Gesamtschule und GEW-Mitglied. Er schrieb früher für das Magazin Auswege, jetzt für das GEW-MAGAZIN.
Bild von Selline Selline auf Pixabay (aigeneriert)