Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 18: Weihnachten: Eine sinnentleerte Orgie des Konsums

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 18

Weihnachten: Eine sinnentleerte Orgie des Konsums

„Worauf sollen wir noch hoffen? …“
(Sandor Márai)

„Und selbst wenn wir noch keine Änderung sehen,
müssen wir weitermachen; müssen wir widerstehen,
wenn wir noch als Menschen leben, arbeiten
und glücklich sein wollen. Im Bündnis
mit dem System können wir das nicht mehr.“
(Herbert Marcuse)

In der Nacht ist der erste Schnee gefallen. Ich spürte es bereits bei noch geschlossenen Vorhängen an dem gedämpften Geräuschpegel der Stadt. Unweigerlich stiegen Kindheitserinnerungen an die Tage des ersten Schnees auf. Jubelnd stürmten wir in den Garten und bewarfen uns mit Schneebällen. Schnee lag in meinen Kindheitserinnerungen von Dezember bis Ende Februar, manchmal bis Mitte März.

Morgens zogen wir los mit Schlitten, Skiern oder Schlittschuhen. Die Schlittschuhe trugen wir an einem Lederriemen um den Hals. Man schraubte sie, wenn man die Eisfläche erreicht hatte, mit einem Vierkantschlüssel an den Schuhsohlen fest. Beim Schlittschuhlaufen bin ich einmal auf dem Lac unterhalb des Schlosses Wilhelmshöhe in Kassel böse gestürzt und mit dem Knie gegen eine aus dem Eis ragende Wurzel gekracht. Tage später suchte meine Stiefmutter mit mir einen Orthopäden auf. Das wollte etwas heißen, denn so ohne Weiteres suchte man damals keinen Arzt auf. Es war glücklicherweise nichts gebrochen. Aber dieser Winter war für mich vorüber. … weiter

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Das Narrativ vom Narrativ – Über Philipp Bloms Buch „Das große Welttheater“

Eine Rezension von Götz Eisenberg

„ … man müsse den Dingen und den Verhältnissen
die Kausalität entziehen, sagte er.“
(Horst Bienek: Bakunin, eine Intervention)

Werden wir wirklich von Erzählungen beherrscht, bestimmen Narrative über unser Leben? Das zumindest ist die zentrale These von Philipp Bloms neuem Buch. Auf der Bühne des Welttheaters werden unablässig Stücke aufgeführt, die jeweiligen Akteure sprechen und erzählen. Von den antiken Mythen bis zu den heutigen, die davon berichten, dass man es schaffen kann, wenn man nur will und der Markt einem gnädig ist. Diese wechselnden Erzählungen sind es, die den Gang der Geschichte bestimmen. … weiter

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 17: Amok oder Terror? Über das Messer als Tatwaffe

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 17

Amok oder Terror? Über das Messer als Tatwaffe

„Die ‚Paranoia‘,
die eine Form von Hypernormalität ist,
ist eine faschistische Existenzform.“
(David Cooper)

Heute – Samstag, dem 21. November – ist in der Süddeutschen Zeitung ein ganzseitiges Gespräch mit Pete Townshend. Nach dem frühen Tod von Keith Moon und dem Tod von John Entwistle vor rund zwanzig Jahren sind Roger Daltrey und Pete Townshend die letzten beiden Überlebenden von der ursprünglichen Besetzung der Band The Who. Als die Band sich zwischenzeitlich aufgelöst hatte, arbeitete Townshend eine Weile als Lektor in einem Londoner Verlag. „Ich habe es geliebt. Das war die beste Zeit meines Lebens.“ The Who sei ihm stets wie ein vorübergehender, verzichtbarer Teil seines Lebens vorgekommen.

Ich sah sie nach ihrer Wiedervereinigung 1997 in der Frankfurter Festhalle. Da waren es noch drei aus der Gründungszeit. Auf der damaligen Tournee war der Sohn von Ringo Starr, Zak Starkey, Ersatzmann für Keith Moon, den legendären Trommler aus der Stammbesetzung. The Who gehört zur musikalischen Grundausstattung meines Lebens, Substitute, Pinball Wizard, Summertime Blues und You Better You Bet sind Stücke, die ich in mir trage. Es vergeht kein Monat, ohne dass ich nicht wenigsten ein Mal The Who auflege. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 16: Wir leben in einer Zeit der Umbrüche – aber wohin gehen wir?

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 16

Wir leben in einer Zeit der Umbrüche – aber wohin gehen wir?

In katastrophalen Zeiten, wenn es aussieht,  als würde
die Welt bald untergehen, führen die Verrückten das große Wort:
Neue Religionen werden erfunden, seltsame Sekten, bizarre
Philosophien, verzweifelte Versuche, mit dem Unerträglichen
fertigzuwerden. Eine durchaus menschliche Reaktion.
Weltuntergangswahn.“
(Paul Auster)

Endlich scheint der lange Wahlprozess in den USA einen halbwegs glimpflichen Ausgang zu finden. Bleibt abzuwarten, was Trump noch an vergifteten Pfeilen im Köcher hat. Narzissten seines Kalibers treten nicht einfach so zur Seite und verschwinden lautlos und übergeben das Weiße Haus besenrein an ihren Nachfolger. Sie haben eine Tendenz, ihren Abgang in ein großes finales Feuerwerk zu verwandeln. Ich sagte das bereits verschiedentlich. Was bleibt, ist die Tatsache, dass Trump von über siebzig Millionen Amerikanern und Amerikanerinnen zum zweiten Mal gewählt worden ist. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 15: „Ich traue beiden nicht…“

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 15

„Ich traue beiden nicht … „

Wegen der Pandemie fand die Einführungswoche der Universität für die neuen Studierenden weitgehend virtuell statt. Dennoch sah man vereinzelt kleine Grüppchen durch die Stadt ziehen. Vor ein paar Tagen stand eine Gruppe von sogenannten „Erstis“ um die „Schwätzer“ herum. Eine ältere Studentin, die als Mentorin fungierte, erzählte etwas über den Seltersweg und die Geschichte der Bronzeskulptur. Neun der zehn jungen Leute waren mit ihren Smartphones beschäftigt, stellten sich in Pose und machten Selfies. Ich fragte mich, warum sich die Mentorin das gefallen ließ und die Veranstaltung nicht abbrach oder sich den Gebrauch der Handys während der Veranstaltung verbat.

So stand sie da wie eine Predigerin in der digitalen Wüste – auf verlorenem Posten. Inzwischen scheinen die Lehrenden angesichts der Omnipräsenz dieser Geräte kapituliert und sich damit abgefunden zu haben, die Aufmerksamkeit mit ihnen zu teilen oder sich mit den Brosamen zu begnügen, die vom digitalen Tisch fallen. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 14: Hereinbrechende Ränder

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 14

Hereinbrechende Ränder

„In der Einstellung zu ihren Randzonen
enthüllt sich eine Gesellschaft als ganze.“
(Jean-Claude Schmitt)

Am Samstagvormittag hatte ich mich mit einem Freund zu einem Spaziergang verabredet. Wir trafen uns am Marktplatz. Als wir losgehen wollten, drang aus einer Seitenstraße martialisches Gebrüll. Es klang, als ginge es Leben und Tod. Jemand rannte in diese Richtung und rief in unsere Richtung: „Wenn ihr mal brutale Polizeigewalt sehen wollt, kommt mit.“ Wir folgten dem Mann in gebührendem Abstand. In Höhe des Stadtkirchenturms sahen wir, dass vor einer Kapelle ein heilloser Tumult herrschte. Beschimpfungen flogen durch die Luft. Hier trifft sich seit Jahren eine harte Trinkerszene. Ein Freund, der ein paar Häuser weiter wohnt, berichtet mir immer wieder, mit wie viel Lärm die Anwesenheit dieser Leute verbunden ist, und zwar rund um die Uhr. Aus der Entfernung sahen wir, dass die Polizei bereits vor Ort war. Wahrscheinlich war zwischen den Hardcoretrinkern ein Streit ausgebrochen, der handgreiflich ausgetragen wurde, und Anwohner hatten die Polizei informiert. Die Lage war unübersichtlich und wir beschlossen, einen Bogen um den Schauplatz der Auseinandersetzung zu machen. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 13: Vom Schlafen im Kanonenrohr und der Normalisierung des Grauens

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 13

Vom Schlafen im Kanonenrohr und der Normalisierung des Grauens

„Zu der Bettlerin, die zudringlich wurde,
sagt die Besitzerin des Restaurants, und
sie zeigt dabei auf die Langusten essenden Gäste:
‚Versetzen Sie sich doch in die Lage dieser Herrschaften.‘“
(Albert Camus)

In Hamburg hat am 4. Oktober, also fast auf den Tag genau ein Jahr nach dem Anschlag von Halle, ein 29-jähriger Mann vor einer Synagoge mit einem Klappspaten auf einen jüdischen Studenten eingeschlagen. Das Opfer erlitt erhebliche Kopfverletzungen. Der Täter ist ein sogenannter Deutschrusse, trug eine Bundeswehruniform und führte in der Hosentasche ein selbst gemaltes Hakenkreuz mit sich. Ich vermute, dass der Mann nicht nur den Klappspaten und die Uniform, sondern auch seine politische Prägung von der Bundeswehr bezogen hat.

Wieder wurde der Mann flugs zum Einzeltäter erklärt, nach seiner psychischen Störung wird noch gefahndet. Insgesamt schien mir das mediale Echo gering. Es muss offenbar jemand zu Tode kommen, damit die Empörungsmaschinerie anspringt. Die von Herbert Marcuse zu Zeiten des Vietnamkriegs beobachtete „Normalisierung des Grauens“ ist auch im Feld des Antisemitismus zu beobachten. Wir gewöhnen uns daran, dass in unserem Land wieder Juden attackiert werden. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 12: In den Wald gehen

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 12

In den Wald gehen

„Wir leben in einer Gesellschaft,
in der das Privateigentum vor dem Menschen
sehr stark, der Mensch vorm Privateigentum
aber nur sehr schwach geschützt ist.“
(Peter Brückner)

Am vorletzten Tag der Hitzewelle saß ich mit Jürgen in seinem Garten an der Lahn. Wir hockten an einem kleinen Tisch unter einem Pflaumenbaum und aßen Nuss- und Mandelecken, die ich aus meiner Lieblingsbäckerei mitgebracht hatte. Eichhörnchen wuselten durchs Geäst. Jürgen lebt in einem ausgedienten Zirkuswagen und einer kleinen Holzhütte, die er sich im Laufe der Jahre aus Abfällen gebaut hat. Er ist ein Fahrrad-Freak, setzt alte Räder instand und weiß und kann einfach alles rund ums Fahrrad. Gerade ist er dabei, ein aus dem 19. Jahrhundert stammendes Hochrad instand zu setzen. Mit meinem Hollandrad stimmt einiges nicht, und Jürgen hatte versprochen, es sich mal anzusehen.  … weiter

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