Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 30: Das Lebendige und das Tote

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 30

 

Das Lebendige und das Tote

Ich bin auf die Realitätsangebote des Lebens weitestgehend nicht eingegangen.“
(Udo Lindenberg)

Russland schließt nun auch in puncto Kriminalität zum Westen auf. Seit 2014 kommt es in immer kürzeren Abständen zu sogenannten School-Shootings. Nachdem bereits im Jahr 2018 auf der Krim ein Amoklauf an einer Schule mit 20 Toten stattgefunden hat, hat nun ein 19-jähriger ehemaliger Schüler in Kasan, der Hauptstadt der Republik Tatarstan, seine alte Schule überfallen. Er tötete neun Menschen, darunter sieben Schülerinnen und Schüler, eine Lehrerin und eine weitere Frau. 20 Menschen wurden verletzt.

Die Bilder, die gezeigt wurden, erinnerten stark an die aus Littleton/Colorado aus dem Jahr 1999. In Panik sprangen Schüler aus den Fenstern, Schüler flohen über der Rasen vor den Gebäuden, Rauch stieg auf. Littelton liefert bis auf den heutigen Tag die Blaupause für Schoolshootings. Wer tatgestimmt ist, kann sich hier eine Anleitung holen, wie man es machen kann. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 29: Kindesmissachtung 2.O

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 29

 

Kindesmissachtung 2.O

„Wenn wir nicht einfach in den Tag hinein leben, sondern uns unserer Existenz bewusst sein wollen, ist es unsere größte und zugleich schwerste Aufgabe, in unserem Leben einen Sinn zu finden.“
(Bruno Bettelheim)

Fast jedes Mal, wenn ich die Hängebrücke über die Lahn überquere, sehe ich junge Frauen oder Mädchen, die dort über dem Fluss ein Fotoshooting veranstalten. Sie treffen sich dort, um ein Posing für ihr Instagram- oder TikTok-Profil zu veranstalten. Sie sind meist total aufgebrezelt und aufwendig und grell geschminkt. Die Münder durch Lippenstift überdimensional groß, die Augen von künstlichen Wimpern überdacht. Die Posen, die sie einnehmen, wirken einstudiert, oft ziemlich lasziv. Der Kopf muss in eine bestimmte Haltung gebracht werden, die Haare werden in den Nacken oder über die Augen geworfen. Anleitungen, wie man ein Posing durchzuführen hat, findet man im Netz. Die Kids wirken wie Abziehbilder oder Klone ihrer Vorbilder, die sie Influencer nennen. Viele haben den Traum, selbst Influencerin zu werden, damit Geld zu verdienen und Zugang zu finden zu einer Welt des Luxus‘ und der Mühelosigkeit. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 28: Die Abschaffung des Lenkrads

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 28

 

Die Abschaffung des Lenkrads

„Innerhalb des Systems zu leben ist wie eine Überlandfahrt in einem Bus, der von einem Wahnsinnigen gesteuert wird, der seinen Selbstmord plant … obwohl er ein netter Kerl ist und ständig Witze über den Lautsprecher lässt.“
(Thomas Pynchon)

Gestern sah ich auf dem Weg zur Lahn zwei junge Burschen – mit Marco Reus-Frisuren und trotz niedriger Temperaturen in kurzen Hosen und T-Shirt. Sie demonstrierten durch diese Kleidung ihre Indifferenz gegenüber Kälte. Sie sprangen aus dem Stand auf einen Stromkasten, flankten von dort aus über einen Zaun, überquerten einen Parkplatz und verschwanden aus meinem Blickfeld. Eine der Challenges, die heutige Jugendliche in ihren Alltag einstreuen, um ihm auf diese Weise einen Hauch von Abenteuer und Gefahr zu verleihen.

Solche Szenen erfüllen mich immer mit einer gewissen Wehmut, denn ich könnte das natürlich nicht mehr. Mir bleiben nur die Abenteuer der Dialektik. Die aber bleiben mir immerhin. Damit kann man, fürchte ich, den jungen Männern nicht kommen. … weiter

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Lehrer Mansour

Der nachfolgende Leserbrief war ursprünglich der Durchhalteprosa 26 von Götz Eisenberg gewidmet. Damit dieser Brief nicht in den Tiefen des Magazins verschwindet und nicht wahrgenommen wird, veröffentlichen wir ihn nun als Kommentar. Wir danken dem Autor!


Lehrer Mansour

Ein Kommentar von Johannes Kreft

„Menschen leben Hass und seine Destruktivität aus,
weil sie Angst vor sich selbst haben, vor ihrer Leere und
Bedeutungslosigkeit. Sie wollen ausgrenzen und demütigen,
damit sie sich nicht mit sich selbst beschäftigen müssen…
Sie glauben einer Lüge, weil sie die Wahrheit nicht ertragen können.“
(Ahmad Mansour)

***

Sehr geehrter Götz Eisenberg,

die Bekämpfung der Pandemie kommt nur in kleinen – oft Verwirrung und Unruhe stiftenden Schritten – voran. Zugleich sehen Sie voraus, dass weitere Modernisierungsschübe auch unsere letzten solidarischen Traditionen weiter erschüttern werden. Unzufriedenheit und Wut werden in weiten Teilen der Bevölkerung wachsen. Und wenn es nicht gelingt, die sich zuspitzende Lage kritisch aufzuarbeiten und antikapitalistisch zu wenden, werden Unzufriedene und Wütende massenhaft den Heilslehren der Rechten folgen. In Ihrer Durchhalteprosa zeigen Sie die Notwendigkeit einer großangelegten Aufklärungs- und Erziehungskampagne auf, die dem Triumph der Rechten entgegenwirken sollte. Aber wie wäre eine solche Kampagne zu gestalten? Wie wären gewisse Lernziele zu erreichen, etwa Lust am kritischen Denken oder die Fähigkeit, sich eigene Wünsche und Interessen klarzumachen und in ein gemeinsames Handeln münden zu lassen? Weiterlesen

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 27: Der Mann, der den Eiffelturm verkaufte

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 27

 

Der Mann, der den Eiffelturm verkaufte

„Der Jugend wird oft der Vorwurf gemacht, sie glaube immer, dass die Welt mir ihr erst anfange. Wahr. Aber das Alter glaubt noch öfter, dass mit ihm die Welt aufhöre. Was ist schlimmer?“
(Friedrich Hebbel)

Armin Laschet hat in seiner Bewerbungsrede für die Kanzlerkandidatur seinen Traum von Deutschland offenbart. Jeder, der eine Aufbruchsstimmung erzeugen will, macht Anleihen bei Martin Luther King und hat plötzlich „einen Traum“. Selbst ein Langweiler wie Laschet. Er träumt von einer Republik, die entbürokratisiert ist; von einem Land, das gestaltet und nicht in Verordnungen verharrt; das Menschen einfach machen lässt und ihnen keine Hürden in den Weg stellt; das sich verändert, digital ist, sozial, spätestens 2050 klimaneutral, Bildung für alle bietet, auch den Schwachen den Aufstieg ermöglicht. Ein „Land der Macherinnen und Macher“ soll es sein. Das ist das neue Deutschland, „die Republik, von der ich träume.“

Das ist kein Traum, das ist ein neoliberaler Albtraum, ein Schreckens-Szenario. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 26: Die Verabredung in Samarra

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 26

 

Die Verabredung in Samarra

„Abservieren, sagst du, leicht gesagt, so wie ein Kampfpilot vom Schleudersitz springt, wenn sein Flugzeug trudelt oder brennt. Doch wie springst du aus einem Flugzeug ab, das lang schon abgestürzt ist und am Grund des Meeres vor sich hinrostet?“
(Amos Oz)

Gestern bin ich mit dem Auto, das, um eine Entladung der Batterie zu vermeiden, nach Wochen mal wieder bewegt werden musste, rausgefahren und in meiner Lieblingsgegend stundenlang umhergegangen. Ich hatte ein Buch dabei und setzte mich in der Frühlingssonne auf eine Bank, um zu lesen und nachzudenken. Ich holte mir das Stück eines Baumstamms, um meine Füße daraufzustellen und es mir richtig bequem zu machen. Lesen und Nachdenken geht natürlich nicht gleichzeitig, und so las ich eine Weile, dachte dann eine ebensolche Weile nach und las dann weiter.
Die Sonne schien aus einem tiefblauen Frühlingshimmel und wärmte schon recht ordentlich. Ich cremte mir den Nasenrücken und die Ohrläppchen ein, die ich mir bei solchen Gelegenheiten oft verbrannt habe. Ein Hippie-Pärchen ging vorüber und grüßte freundlich. Unsere Generation erkennt sich immer noch an gewissen geheimen Zeichen. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 25: Tage der Kommune

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 25

 

Tage der Kommune

„Für den Revolutionär ist die Welt schon immer reif gewesen. Was im Rückblick als Vorstufe, als unreife Verhältnisse erscheint, galt ihm einmal als letzte Chance der Veränderung. Er ist mit den Verzweifelten, die ein Urteil zum Richtplatz schickt, nicht mit denen, die Zeit haben.“
(Max Horkheimer)

Beim Blättern in der Literaturbeilage der FAZ vom Samstag, dem 13. März, stieß ich auf das Portrait einer Frau, das mich sofort gefangen nahm. Die abgebildete Frau trägt ein schlichtes Kleid mit langen Ärmeln, das bis zum Hals zugeknöpft ist. Da es sich um eine Schwarzweißfotografie handelt, kann man nicht wissen, welche Farbe das Kleid hat. Wahrscheinlich ist es blau oder grau. Die Frau sitzt sehr gerade auf einem hölzernen Stuhl und blickt ernst in die Kamera. Sie dürfte ungefähr fünfunddreißig Jahre alt sein, hat sich aber etwas Jugendliches, fast Kindliches bewahrt. Ihr Haar ist ein wenig schütter und strähnig und in der Mitte gescheitelt. Es fällt ihr bis auf die Schultern. Sie hat es für die Fotografie nicht nicht eigens hergerichtet. Ihr Äußeres scheint ihr nicht so wichtig. Sie hält die Arme vor dem Bauch gekreuzt, der linke Ellenbogen ruht in ihrer rechten Hand. Was den Betrachter in Bann schlägt, sind ihre Augen, die wach, lebendig und offen auf den Fotografen und nun auf den Betrachter des Fotos gerichtet sind. Die Frau auf dem Bild strahlt eine enorme Würde aus. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 24: Surrogatpolitik – Die Linke verschleißt sich auf Nebenkriegsschauplätzen

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 24

 

Surrogatpolitik – Die Linke verschleißt sich auf Nebenkriegsschauplätzen

Man sollte es machen wie die Tiere,
die vor dem Eingang ihrer Höhle
die Spuren verwischen.“
(Michel de Montaigne)

Gestern begleitete mich Harald auf meinem Gang zur Lahn. Es sollte vorläufig der letzte schöne Vorfrühlingstag sein und wir genossen die Sonne. Uns geht der Gesprächsstoff nie aus. Wir hockten uns am Lahnufer auf ein Mäuerchen und sprachen über unsere Anmeldung zum Impfen. Wir gehören beide in Gruppe zwei der über 70-Jährigen und hoffen, noch vor Ostern unseren Schuss zu bekommen. Wir sind beide der Meinung, dass Geimpfte keine Privilegien erhalten sollten. Wenn die Alten, auf die die jungen Leute Rücksicht nehmen sollten, zuerst geimpft werden und dann im Sommer in Cafés sitzen und in Urlaub fahren, während die Noch-nicht-Geimpften weiter zu Hause bleiben und Maske tragen müssen, könnte es böses Blut geben. Also: Freiheiten entweder für alle oder für keinen! Erst wenn alle zumindest die Chance auf eine Impfung gehabt haben, können die Beschränkungen aufgehoben werden. … weiter

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