Deutschland: Koalitionsvertrag bricht mit zahlreichen Menschenrechten

Mitteilung: Amnesty International

Amnesty International kritisiert den Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD als menschenrechtliches Armutszeugnis. Besonders schwerwiegend sind die Beschränkungen des Familiennachzuges und drohende Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien. Zu kritisieren sind auch die Pläne zur Vorratsdatenspeicherung und die Abschaffung des Lieferkettengesetzes.  Weiterlesen

GEW: „Schwarz-rote Bundesregierung muss Neustart in der Bildung wagen!“

Erste Reaktion der Bildungsgewerkschaft GEW auf den Abschluss der Koalitionsverhandlungen

Frankfurt a.M. – „Um die soziale und wirtschaftliche Stabilität in unserem Land sicherzustellen, braucht es eine Zeitenwende in der Bildungspolitik“, stellte Maike Finnern, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), mit Blick auf die Ergebnisse der Hauptverhandlungsgruppe aus CDU, CSU und SPD zum Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung am Mittwoch in Frankfurt a.M. fest. „Die neue Regierung muss einen bildungspolitischen Neustart hinlegen. Deutschland kann sich das marode Bildungssystem nicht länger leisten!“ Der bildungspolitische Neustart müsse bedarfsgerecht durchfinanziert und qualitativ unterlegt sein – und zwar entlang der gesamten Bildungskette: von der Kita über die Schulen und Hochschulen bis hin zur beruflichen Bildung und Weiterbildung. „Die politisch und wirtschaftlich herausfordernde Zeit, in der wir leben, braucht eine starke, stabile Demokratie. Und: Demokratie beginnt mit Bildung“, betonte Finnern. Über den neuen Zuschnitt des Bildungsministeriums ließen sich aktuell noch keine belastbaren Aussagen machen. Dafür sei es notwendig, dass die Koalitionäre Klarheit über die Aufgaben und Verantwortlichkeiten schaffen.

Die GEW-Vorsitzende machte sich für 130 Milliarden Euro zusätzlich für Bildung aus dem Sondervermögen stark. „Union und SPD müssen diese Gelder bereitstellen, um unter anderem den massiven Investitionsstau im Bildungswesen in den Kommunen, den Ländern und auf Bundesebene wirksam zu bekämpfen“, erläuterte Finnern den Vorstoß. „Mit diesen Mitteln sollten die bestehenden Missstände behoben werden, um mehr Chancengleichheit herzustellen und den Kindern und Jugendlichen eine selbstbestimmte Zukunft zu geben. Bildung ist der Schlüssel für eine gerechtere und inklusivere Gesellschaft. Die neue Regierung muss jetzt handeln, um die Qualität und Ausstattung der Kitas, Schulen, Hochschulen und der Weiterbildung zu verbessern.“

„Zentrale Stellschrauben dafür sind der quantitative und qualitative Ausbau des Ganztags, die Verstetigung des Startchancenprogramms, um Kinder und Jugendliche aus armen Familien zu unterstützen, die pädagogisch begründete Weiterentwicklung der Digitalisierung und ein Kita-Qualitätsgesetzes, das diesen Namen auch verdient“, unterstrich Finnern. „Das ist aber nur umzusetzen, wenn Bund und Länder endlich gemeinsam den dramatischen Fachkräftemangel, vor allem an Kitas und Schulen, mit wirksamen Konzepten angehen.“ Den Ganztag mit mehr Investitionsmitteln und langfristiger zu fördern, wie von CDU, CSU und SPD vorgeschlagen, sei unbedingt notwendig, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, die notwendigen baulichen Voraussetzungen zu schaffen und die Qualität sicherzustellen. Die vorgesehene Fortführung der Digitalisierung durch den Digitalpakt 2.0 mit Verbesserungen wie einer Verlängerung des Abrechnungszeitraums um zwei Jahre sei richtig. Dass diese Vereinbarungen wie viele andere unter Finanzierungsvorbehalt stünden, kritisierte die GEW-Vorsitzende: „Es darf nicht wieder zu einer digitalen Hängepartie in den Schulen kommen.“ Das Startchancenprogramm zur Unterstützung benachteiligter Schulen zu verstetigen, sei wichtig, es müsse aber auch hier deutliche Verbesserungen und Erleichterungen bei der Umsetzung geben. Eine Übertragung dieses Programms auf die Kitas müsse gut überprüft werden, da allein neue Programme nicht automatisch zu Verbesserungen in Qualität und Struktur führen. Das geplante „Qualitätsentwicklungsgesetz (QEG)“ zur Fortentwicklung des Kita-Qualitätsgesetzes könne ein richtiger Weg sein. Die Festsetzung bundesweiter Standards sei dabei ein wichtiges Ziel. Zudem lobte Finnern, dass das Bundesprogramm Sprach-Kitas wieder aufgenommen werden solle.

Als „nicht zielführend“ für bessere Kompetenzen der Grundschülerinnen und -schüler bezeichnete die GEW-Vorsitzende, die verpflichtende flächendeckende Diagnostik des Sprach- und Entwicklungsstands aller Vierjährigen in den Kindertagesstätten und die Einführung einer datengestützten Schulentwicklung etwa auf Grundlage eines Bildungsverlaufsregisters. Sie warnte vor dem Glauben, eine Schülerinnen- und Schüler-ID, auch wenn diese als datenschutzkonform im Koalitionsvertrag angekündigt werde und eine rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit von Schule, Jugend- und Eingliederungshilfe stärken solle, sei die Lösung für alle Probleme im Übergang.

Die vorgeschlagenen Verbesserungen für das BAföG gingen in die richtige Richtung. Nötig sei jedoch eine grundsätzliche Strukturreform, mit der auch die Bedarfssätze und Wohnkostenpauschalen deutlich angehoben werden. Für bessere Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sei der Ansatz, den „Zukunftsvertrag Studium und Lehre“ systematisch zu stärken und über 2028 hinaus zu dynamisieren wichtig. Er müsse jedoch ergänzt werden, damit das aus diesen Mittel finanzierte Lehrpersonal unbefristet angestellt werden kann. Die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ neu aufzulegen, sei ein notwendiger Schritt, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Die Offensive müsse aber strategisch weiterentwickelt werden, damit gut funktionierende Projekte in die Fläche kämen. Zudem müsse der Pakt für berufsbildende Schulen unbedingt endlich mit Geld hinterlegt und nicht nur wie im Koalitionsvertrag formuliert „entwickelt“ werden, hob Finnern hervor.


9.4.2025
Ulf Rödde
GEW-Hauptvorstand
www.gew.de