Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 26: Die Verabredung in Samarra

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 26

 

Die Verabredung in Samarra

„Abservieren, sagst du, leicht gesagt, so wie ein Kampfpilot vom Schleudersitz springt, wenn sein Flugzeug trudelt oder brennt. Doch wie springst du aus einem Flugzeug ab, das lang schon abgestürzt ist und am Grund des Meeres vor sich hinrostet?“
(Amos Oz)

Gestern bin ich mit dem Auto, das, um eine Entladung der Batterie zu vermeiden, nach Wochen mal wieder bewegt werden musste, rausgefahren und in meiner Lieblingsgegend stundenlang umhergegangen. Ich hatte ein Buch dabei und setzte mich in der Frühlingssonne auf eine Bank, um zu lesen und nachzudenken. Ich holte mir das Stück eines Baumstamms, um meine Füße daraufzustellen und es mir richtig bequem zu machen. Lesen und Nachdenken geht natürlich nicht gleichzeitig, und so las ich eine Weile, dachte dann eine ebensolche Weile nach und las dann weiter.
Die Sonne schien aus einem tiefblauen Frühlingshimmel und wärmte schon recht ordentlich. Ich cremte mir den Nasenrücken und die Ohrläppchen ein, die ich mir bei solchen Gelegenheiten oft verbrannt habe. Ein Hippie-Pärchen ging vorüber und grüßte freundlich. Unsere Generation erkennt sich immer noch an gewissen geheimen Zeichen. … weiter

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Götz Eisenbergs Corona-Tagebuch 30: Meine Durchhalteprosa

Tagebuch

 

Götz Eisenbergs Corona-Tagebuch 30

Meine Durchhalteprosa

Die sich anschicken, der barbarischen
Vorgeschichte der Menschheit ein Ende zu bereiten,
sind selbst Menschen dieser Vorgeschichte.
Sie gehen in den Kampf gegen Götzen
mit der Seele von Götzendienern.“
(Manès Sperber)

Ich denke im Moment, dass ich das Corona-Tagebuch langsam ausklingen lasse. Seit Mitte März, als Frau Merkel die Ausgangsbeschränkungen verkündete, schreibe ich unentwegt. Durchhalteprosa nenne ich für mich diese Form des Schreibens, ohne die ich es nicht aushalten könnte. Schreibend versuche ich, mir den ganzen Wahnsinn ein wenig vom Hals zu halten. Ich kann ja später auf das Tagebuch zurückkommen, falls die von Experten befürchtete zweite Welle über uns hereinbricht. Im Moment lassen die Leute alle Rücksichtnahmen fahren und verhalten sich, als wäre nichts gewesen.

Von vielen Seiten höre ich, dass im Augenblick Freundschaften über die Frage zerbrechen, wie man es mit Corona hält. Die einen tragen Masken und achten auf Abstand, die anderen lachen darüber und fordern einen auf: „Mach dich mal locker!“ Die Süddeutsche Zeitung schreibt: „Es gibt jetzt eine neue Konfliktlinie: auf der einen Seite die Hab-dich-nicht-so, auf der anderen die Spießer. Winken gegen umarmen. Team Bussi-Bussi gegen Team Einsfünfzig.“ Ich halte es mit Feridun Zaimoglu, der gesagt hat: „Leute wie ich gelten als Spaßverderber, aber Lebenslust ist das eine, Dämlichkeit ist das andere.“ … weiter

Tagebuch oben links: Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay
Bild rechts von Omni Matryx auf Pixabay 


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