Brandnachtgedenken

Der Kommentar zum Zeitgeschehen

von Jürgen Scherer*

Ein durchaus dienliches Narrativ für die Kriegsertüchtiger

In diesem Jahr begehen wir ein wichtiges Gedenkjahr: Vor 80 Jahren wurde durch alliierte Truppen der Zweite Weltkrieg beendet; ein Ende für das vor allem die damalige Sowjetunion einen hohen Blutzoll bezahlt hatte.

Je nach Interpretationsmuster war der 8. Mai 1945 entweder eine Niederlage oder ein Tag der Befreiung, wie ihn der ehemalige Bundespräsident Weizsäcker so trefflich bezeichnete.

Wie auch immer: Es wird mal wieder offizielle Gedenkfeiern geben und unsere derzeit Regierenden werden uns vorgaukeln, Deutschland habe aus der Vergangenheit gelernt. Wir lebten in einer wahr- und wehrhaften Demokratie, die zu erhalten und verteidigen sich lohne.

Nur dass sich die Mittel zur Erreichung dieser Ziele gerade rasant ändern: Hieß es früher, Frieden und Friedenspolitik sei das oberste Gebot, das Ganze unter der Maxime „Nie wieder“ – eben eingedenk des WKII – Desasters, wird uns heute vorgebetet, Kriegstüchtigkeit müsse an erster Stelle stehen, wenn wir demnächst nicht dem „Bösen Russen“ (1945 zu unseren Befreiern gehörend) ins Auge blicken wollten.  … weiter


*Jürgen Scherer ist ehemaliger Lehrer für Geschichte und Politik an einer hessischen Gesamtschule und GEW-Mitglied. Er schrieb früher für das Magazin Auswege, jetzt für das GEW-MAGAZIN.

 

Dokumentarfilm: Heimat ist ein Raum aus Zeit

gsf – Auf 3sat.de ist bis 4.10.2020 eine deutsche Familiengeschichte zwischen Berlin und Wien, vom Ersten Weltkrieg bis zur Wiedervereinigung, erzählt als Collage aus Briefen, Tagebüchern, Bild- und Tondokumenten abrufbar.

Thomas Heise verfolgt in seinem deutsch-österreichischen Dokumentarfilm (2019)  

… Spuren seiner zerrissenen Familie, die seit dem Ersten Weltkrieg vom Kampf für den Sozialismus geprägt war, und davon, dass der jüdische Wiener Familienzweig im „Dritten Reich“ in KZs deportiert und ermordet wurde.
Thomas Heises Eltern engagierten sich nach dem Zweiten Weltkrieg für den Aufbau der DDR, gerieten jedoch als Intellektuelle bald in Konflikt mit der Parteiführung. Sie blieben ihrem Staat aber verbunden. Heise selbst war in seiner künstlerischen Arbeit stark von der Freundschaft zu Heiner Müller geprägt.
In seinem Film reflektiert er Zeitgeschichte in den oft sehr persönlichen Zeugnissen aus dem Familienarchiv.
(Quelle: https://www.3sat.d/film/dokumentarfilm/heimat-ist-ein-raum-aus-zeit-104.htmle )

Filmszenen folgen Briefausschnitten, Fotos oder Tagebucheinträgen. Alle Medien werden von geschichtlichen und politischen Hintergrunderklärungen und biografischen und autobiografischen Texten begleitet. Die Zuhörer werden so auf die Reise durch die Zeitgeschichte mitgenommen.

Fazit: Der Dokumentarfilm dauert 3 Stunden und 37 Minuten. Man kann ihn gut abschnittsweise ansehen. Die 3 1/2 Stunden sind nie langweilig oder ermüdend. Ich habe noch nie eine über 3-stündige „Zeitreise“ mit so viel Spannung und Plastizität, Nachdenklichkeit und Lebendigkeit gehört und gesehen. Im Unterricht in der Sek II sehr gut einsetzbar.


Leider ist der Film in der Mediathek von 3sat nur bis 4.10.2020 abrufbar. Zur Filmseite auf 3sat

Über die Seite mediathekviewweb.de kann der Film downgeloaded werden. Hier findet sich eine einfache Anleitung!