Krimtataren unter russischer Besatzung

Russische Propaganda bei krimtatarischen Schulkindern

In Schulen auf der von Russland annektierten Krim wird zunehmend russische Propaganda gelehrt, wie die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) aus krimtatarischen Kreisen erfahren hat: „Krimtataren berichten, dass Kinder in der Hauptstadt Simferopol von den Schulbehörden dazu gedrängt werden, russischen Soldaten bewundernde Briefe zu schreiben. In extra einberufenen Schulstunden wird ihnen erzählt, dass die Annexion der Krim durch Russland rechtmäßig abgelaufen sei und der Medschlis eine extremistische und terroristische Vereinigung sei“, erklärt Hanno Schedler, GfbV-Referent für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung. Die krimtatarische Selbstvertretung Medschlis wurde vor genau sechs Jahren, am 13. April 2016, verboten.

Nach der russischen Invasion der Krim, die im Februar 2014 begann, flohen zehntausende Krimtatarinnen und Krimtataren auf das ukrainische Festland. Nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar 2022 sind viele von ihnen ein weiteres Mal auf der Flucht vor der russischen Armee. Um ihre auf der Krim verbliebenen Familien nicht zu gefährden, müssen sie ihre Identität geheim halten, wenn sie mit Medien sprechen. „Für die Krimtataren hat Putins Krieg bereits 2014 begonnen“ erinnert Schedler. „Obwohl Putin in einer Rede im März 2014 versprochen hatte, dass die Krimtataren ihre Rechte behalten und in Freiheit leben sollten, zeigte sich schnell, was die russischen Besatzer wirklich im Sinn hatten.“ Mit illegalen Festnahmen, Hausdurchsuchungen, Folter, Morden und dem Verschwindenlassen von Krimtataren schürten die russischen Behörden Angst. Unabhängige krimtatarische Medien wurden zerschlagen. Mit dem Verbot des Medschlis zerstörten die russischen Besatzer das wichtigste Sprachrohr der indigenen Gemeinschaft der Krimtataren. Bereits seit Herbst 2014 bezeichnete der russische Staat den Medschlis und seine Repräsentanten als „terroristisch“ und „extremistisch“. Krimtatarische Männer mussten befürchten, zwangsweise in die russische Armee eingezogen und Teil des russischen Angriffskrieges auf ihre ukrainischen Landsleute zu werden.

Am 18. Mai 2022 jährt sich die Deportation der Krimtataren durch Stalin zum 78. Mal. 1944 wurden 238.500 Krimtatarinnen und Krimtataren, die meisten von ihnen Frauen und Kinder, kollektiv nach Zentralasien deportiert. Erst seit Ende der 1980er Jahren durften sie auf die Krim zurückkehren. Im Jahr 2015 erkannte das ukrainische Parlament die Deportation unter Stalin als Völkermord an. Die Krim ist entgegen der russischen Propaganda nicht als Teil Russlands anerkannt, sondern gehört zur Ukraine. Die Vollversammlung der Vereinten Nationen verurteilte im Dezember 2018 die russische Annexion als illegal.


13.4.2022
Hanno Schedler, Referent für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung

Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)
www.gfbv.de

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