Tag des Ungehorsams

Protestforscher Peter Ullrich gibt Interview über die Hintergründe von zivilem Ungehorsam, die Letzte Generation und welche Rolle Gesellschaft, Medien und Polizei dabei spielen

Interview: Barbara Halstenberg – Technische Universität Berlin

„Ziviler Ungehorsam ist eine Reaktion auf einen wahrgenommenen gesellschaftlichen Notstand“, so Dr. Dr. Peter Ullrich, Senior-Researcher des Forschungsbereichs „Soziale Bewegungen, Technik, Konflikte“ im Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin. In den Grenzbereichen der Demokratie sei ziviler Ungehorsam insbesondere dort wichtig, wo diese ihre Grundwerte nicht realisieren kann oder sich als strukturell regelungsunfähig erweist. Das Thema Klima sei dafür besonders typisch.

„Der zivile Ungehorsam macht die Dringlichkeit der Lage klar – es geht um das Überleben der Menschheit, jetzt und unmittelbar –, aber er ist keine politische Bildungsmaßnahme, die geeignet ist, alle mitzunehmen“, sagt Ullrich über die Aktionen der Letzten Generation. Kennzeichnend für die Bewegung sei ihre unbedingte Entschlossenheit bei gleichzeitig äußerst moderaten Forderungen. Demgegenüber sei der behördliche Verfolgungsdruck immens, der von konservativen Medien sekundiert werde, indem sie die Letzte Generation zu einer „kriminellen Vereinigung“ stilisiere. „Kolleg*innen sehen deshalb nicht nur Kipppunkte im Klima, sondern auch Kipppunkte in der Erosion der liberalen Demokratie“, gibt Peter Ullrich zu bedenken, dessen Arbeitsschwerpunkte v.a. im Bereich Politische Soziologie, Protest- und Antisemitismusforschung liegen. Protestierende müssten wissen, dass sie im Kontakt mit der Polizei auf unterschiedliche Typen und Handlungsstrategien treffen. Eines sei dabei deutlich: „Die Polizei ist politisch nicht neutral und strukturell ordnungsstabilisierend“, so Ullrich, der auch im Bereich Polizeiforschung tätig ist.

zum Interview (Text)  


3.7.2023
Technische Universität Berlin
www.tu.berlin