GEW-Bayern fordert die sofortige Abschaffung der Übertrittszeugnisse an Grundschulen

Mitteilung: GEW Landesverband Bayern

Was ist der Unterschied zwischen einem 10-jährigen Kind mit 2,33 und einem Kind mit 2,34 im Übertrittszeugnis?

  • mathematisch betrachtet sind das 1 Hundertstel oder 0,01
  • bildungspolitisch gesehen ist es die Prognose einer Schullaufbahn im Gymnasium oder nicht
  • amtlich betrachtet handelt es sich um die im Übertrittszeugnis attestierte Gymnasialeignung eines Kindes oder eben nicht
  • familiensystemisch berichten viele von der Differenz zwischen großer Erleichterung und auf der anderen Seite von Frustrationen oder weiteren Dramen
  • aus Sicht des Kindes wird mit diesen Ziffern der Unterschied festgemacht zwischen: „Ich bin bei den Guten“ oder „Ich gehöre zu den Aussortierten“
  • wissenschaftlich betrachtet ist der Unterschied: GAR KEINER, denn es gibt kaum Anhaltspunkte dafür, dass eine Schullaufbahn in der 4. Klasse nach Schulnoten prognostizierbar sei
  • pädagogisch und entwicklungspsychologisch gesehen ist der Unterschied: GAR KEINER, denn die Entscheidung von einer solchen Tragweite an der zweiten Kommastelle der Durchschnittsnote festzumachen, hat nichts mit gelungener Bildung zu tun.

Das Kultusministerium versucht, den Selektionsprozess schönzureden: Offensichtlich möchte man die neue Grundschulordnung, in der dieser Prozess nach wie vor festgeschrieben ist, selbst ein wenig aufweichen und die dort formulierte Eignungsbeschreibung für das Gymnasium bei 2,33 und der Realschule bei 2,66 relativieren.

In der aktuellen Pressemitteilung des Kultusministeriums findet sich nur das Wort „Übertrittsempfehlung“. Dies wiederum kommt in der Grundschulordnung nicht vor. Dort heißt es: „Das Übertrittszeugnis stellt fest, für welche Schulart die Schülerin oder der Schüler geeignet ist; …..“ (GrSO § 25 Abs. 2). Eine in einem Zeugnis festgestellte Eignung ist keine Empfehlung.

Die jährlich wiederkehrende große Kritik vieler Seiten ist wohl der Grund für die Aufweichung der Positionen und die Hervorhebung von „Vorläufigkeit“ und „Durchlässigkeit“ des bayerischen Bildungswesens in der Pressemitteilung. Allein durch die Worte wird das System der Selektion nach Hundertstelstellen nicht weniger brutal oder kindgerechter.

Bayerische Leitlinien für Bildung und Erziehung nach dem Lehrplan PLUS Grundschule: Besonders deutlich wird der Widerspruch zwischen pädagogischen Zielvorstellungen wie sie in den Leitlinien des Lehrplan PLUS Grundschule dargelegt sind und den oben zitierten administrativen Vorgaben aus der Grundschulordnung.

In den Leitlinien ist bei Ziffer 1 festgehalten: „Zu den Hauptaufgaben verantwortungsvoller Bildungspolitik zählt es, allen Kindern frühzeitig bestmögliche Bildungserfahrungen und -chancen zu bieten. Im Fokus steht das Recht des Kindes auf Bildung von Anfang an“. Der neue kompetenzorientierte Blick auf die Kinder wird in Abschnitt 3.2 gepriesen: „Zentrale Aufgabe an allen Bildungsorten ist es, Kinder über den gesamten Bildungsverlauf hinweg in ihren Kompetenzen zu stärken. Die Akzentsetzung verändert sich entsprechend dem individuellen Entwicklungsverlauf sowie den Bedürfnissen und Ressourcen des Kindes“.

Diese hehren und an sich begrüßenswerten Ziele können mit dem bayerischen Übertrittsverfahren am Ende der 4. Klasse nicht verwirklicht werden. Ablehnung des Auslesezwangs: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft weist erneut darauf hin, dass eine große Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen den Auslesezwang ablehnt und Kinder gern in Bezug auf ihren persönlichen Fortschritt beurteilen würde. Die GEW fordert seit langem die Überwindung des zergliederten Schulsystems vergangener Jahrhunderte zugunsten einer Schule für alle Kinder bis zum Ende der Pflichtschulzeit.

Als Zwischenschritt fordern wir die sofortige Abschaffung der Übertrittszeugnisse an Grundschulen mit den genannten Notenkriterien. Dies würde enormen Druck von Kindern, Eltern und Lehrkräften nehmen und entspannteres und dadurch erfolgreicheres Lernen ermöglichen. Die Entscheidung, welche Schulart ein Kind besuchen soll, ist aus unserer Sicht den Kindern zusammen mit ihren Eltern zu überlassen, die Schule hat dabei eine beratende Funktion.

PM v. 15 v. 30.4.2014
Elke Hahn
Geschäftsführerin
www.gew-bayern.de

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