Koalitionsvertrag: DGB Bayern sieht Stärken und Schwächen

Di Pasquale: „Eklatante Schwächen, allen voran beim Thema ‚Minijobs‘.“

Stellungnahme: DGB Bayern

Zum gestern vorgestellten Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP äußert sich Verena Di Pasquale, kommissarische Vorsitzende des DGB Bayern, wie folgt:
„Auf den ersten Blick ist festzuhalten: Der Koalitionsvertrag enthält Positives, er weist aber auch eklatante Schwächen auf, allen voran beim Thema ‚Minijobs‘. Die geplante Erhöhung der Minijob-Grenze auf 520 Euro ist der völlig falsche Weg und blendet nicht zuletzt die Erfahrungen der Corona-Pandemie komplett aus. Beschäftigte brauchen Sicherheit und Perspektive – und das geht nicht mit prekären Minijobs, sondern mit gut bezahlter und sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung vom ersten Euro an.“

Laut Di Pasquale sei es ebenfalls nicht ausreichend, die sachgrundlose Befristung nur für den öffentlichen Dienst zu begrenzen. „Immer mehr Menschen hangeln sich oft über Jahre von einer Befristung zur nächsten und haben so keine Planungssicherheit für sich und ihre Familien. Hier muss im konkreten Regierungshandeln nachgebessert werden. Wir fordern die komplette Abschaffung von sachgrundlosen Befristungen.“

Die geplanten Zukunftsinvestitionen u.a. in Klimaschutz, Digitalisierung und Bildung seien Di Pasquale zufolge zwar positiv zu bewerten, allerdings sei gerade mit Blick auf die Rückkehr zur Schuldenbremse im Jahr 2023 und die ausbleibenden Steuererhöhungen nach wie vor völlig unklar, wie diese Maßnahmen finanziert werden sollen. „Fortschritt wagen heißt auch, endlich eine gerechte Steuerpolitik – Stichwort Erbschaftsteuer und Vermögensteuer – auf den Weg zu bringen. Hier wird die Ampelkoalition ihrem Motto nicht gerecht“, so Di Pasquale.

Im Vergleich zum Sondierungspapier sieht Di Pasquale im Koalitionsvertrag einige Nachbesserungen, auf die die Gewerkschaften massiv hingewirkt haben. „Wir begrüßen, dass die ‚Ampel‘ nochmals nachgesteuert und im Koalitionsvertrag eine Ausbildungsgarantie festgeschrieben hat. Diese muss nun noch durch eine faire Umlagefinanzierung mittels eines Zukunftsfonds, in den die Betriebe einzahlen, unterfüttert werden.“

Auch die Einführung eines Bundestariftreuegesetzes sieht Di Pasquale als wichtigen Schritt, um die Tarifbindung hierzulande wieder zu stärken. „Für Millionen Beschäftigte hat das höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen zur Folge. Eine solche Tariftreue-Regelung fordern wir seit Jahren auch auf Landesebene. Allerdings weigert sich die Bayerische Staatsregierung nach wie vor, ein Tariftreue- und Vergabegesetz einzuführen. Die angekündigte Nachwirkung von Tarifverträgen bei Betriebsausgliederungen kann die Tarifflucht der Arbeitgeber eindämmen. Allein durch Tarifflucht im Freistaat entgeht den Sozialversicherungen, dem Fiskus und den Beschäftigten jährlich ein Milliardenbetrag.“

Zur Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro in einem Schritt sagt Di Pasquale abschließend: „Diese Maßnahme wird allein in Bayern etwa einer Million Beschäftigten zu höheren Einkommen verhelfen. Die Ampelkoalition ist gefordert, die Erhöhung im Jahr 2022 nun zügig umzusetzen. Kritisch sehen wir allerdings die nach wie vor vorhandenen Ausnahmen beim Mindestlohn, z.B. für Jugendliche unter 18 Jahren und Langzeitarbeitslose. Hier muss noch nachgebessert werden.“


25.11.2021
DGB Bayern
bayern.dgb.de

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