„Politik muss endlich ihre Hausaufgaben machen“

Bildungsgewerkschaft GEW zum Nationalen Bildungsbericht

Frankfurt a.M. – Mit Blick auf den heute veröffentlichten „Nationalen Bildungsbericht“ mit dem Schwerpunkt Digitalisierung hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Politik gemahnt, „endlich ihre Hausaufgaben zu machen“. „Offenbar verstärkt der Einsatz digitaler Medien das starke soziale Gefälle in den Schulen. Eine Erkenntnis, die auch durch die Erfahrungen aus der Corona-Krise gestützt wird.

Die Politik muss endlich gegensteuern. Sie muss den Raum für die Entwicklung pädagogischer Konzepte schaffen, für eine stabile digitale Infrastruktur sorgen, Systemadministratoren einstellen sowie Lehrkräfte und Schüler mit digitalen Endgeräten ausstatten. Sonst klafft die soziale Schere künftig noch weiter auseinander“, sagte Ilka Hoffmann, für Schule verantwortliches GEW-Vorstandsmitglied, am Dienstag in Frankfurt a.M. Sie wies darauf hin, dass die Anfang Juni veröffentlichte Studie der GEW vergleichbare Ergebnisse zu Tage gefördert hatte. So seien bespielweise 90 Prozent der Lehrkräfte darauf angewiesen, ihre privaten Endgeräte für die Arbeit an der Schule zu nutzen.

„Die Fortbildungsangebote für Lehrkräfte zur Digitalisierung müssen ausgebaut und passgenauer werden, aber auch die Ausbildung müsse digitale Anforderungen stärker berücksichtigen. Ohne ausreichende Angebote und die Unterstützung bei der Konzeptentwicklung bleibt der Einsatz digitaler Medien im Unterricht allenfalls Stückwerk“, betonte Hoffmann. Bisher seien die Schulen zu wenig bei der Entwicklung medienpädagogischer Konzepte unterstützt worden.

Die Schulexpertin stellte fest, dass die Situation der Lehrkräfte bei der Umsetzung der Digitalisierung nur unzureichend berücksichtigt werde: „Die Digitalisierung an den Schulen sollte dringend auch arbeitsrechtlich geerdet werden. Zurzeit wird die Quadratur des Kreises gefordert. Lehrkräfte sollen – bei unzureichender digitaler Infrastruktur – den Datenschutz beachten, gleichzeitig aber ins Online-Lernzeitalter vorstoßen. Sie sollen immer per E-Mail zu erreichen sein, sich aber nicht über die schleichende Ausweitung ihrer Arbeitszeit beklagen. Das passt nicht!“

Hoffmann kritisierte, dass die Digitalisierung, so wie sie aktuell vorangetrieben wird, die „Normierung von Lernanforderungen“ verstärke. Grund hierfür seien die Ideen von „Learning-Analytics“-Konzepten, mit denen viele Schulen arbeiten sollen. „Digitalisierung, kritisches Denken und Demokratie müssen jedoch in allen Bildungsbereichen Hand in Hand gehen“, sagte das GEW-Vorstandsmitglied. Es sei falsch, die Digitalisierung als Ersatz für pädagogische Konzepte zu sehen. Digitale Angebote seien nicht automatisch besser als analoge Lernangebote. Die Digitalisierung müsse pädagogisch begleitet und in ein didaktisches Gesamtkonzept eingebunden werden.


23.6.2020
Ulf Rödde
Pressesprecher
GEW-Hauptvorstand
www.gew.de

 

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