Kein Nachsitzen in den Sommerferien – wir brauchen pädagogische Konzepte

Mitteilung: GEW Bayern

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bayern beurteilt das Förderprogramm „gemeinsam.Brücken.bauen“ der Staatsregierung als unausgereift. Völlig überlastete Schulleitungen müssen auf einem leer gefegten Markt selbstständig Personal finden. Der kultusministerielle Fokus liegt wieder einmal zu sehr auf dem Stopfen der Lücken im Unterrichtsstoff. Außerdem ist die Beförderung der Schüler*innen während der Ferienzeit nicht gesichert.

Der Name des Programmes „gemeinsam.Brücken.bauen“ klingt auf den ersten Blick verheißungsvoll, doch hat die Staatsregierung damit wieder einmal versucht, die „eierlegende Wollmilchsau“ zu erfinden. Zudem ist das Ansinnen mit heißer Nadel gestrickt. Mit 20 Millionen Euro, die der Freistaat bis zum 12. September dieses Jahres bereitstellt, sollen Wissenslücken in den Kernfächern Deutsch, Englisch und Mathematik geschlossen werden. Dass dazu externes Personal gewonnen werden muss, ist wohl auch dem Kultusminister Piazolo klar geworden. Da der Markt hier aber leer gefegt ist, versucht er nun, seine Verantwortung auf die völlig ausgebrannten Schulleitungen abzuwälzen. Diese sollen jetzt das Personal finden.

Wie viel eine Sommerschule leisten kann, die zwei Wochen Stoffnachholen in den Sommerferien für freiwillige Schüler*innen anbietet und von Lehrenden gestaltet wird, die größtenteils keine ausgebildeten Pädagog*innen sind und die die Schüler*innen und deren spezifische Probleme nicht kennen, ist die Frage. Zudem ist leider zu befürchten, dass gerade die Schüler*innen, die die Sommerschule am dringendsten bräuchten, sich eher nicht anmelden werden.

Martina Borgendale, Landesvorsitzende der GEW Bayern, hat dazu eine klare Meinung: „Die Schüler*innen lernen seit eineinhalb Jahren im Ausnahmezustand. Sie hatten die meiste Zeit Frontalunterricht vor dem PC. Gruppenarbeiten, Projektunterricht, Wandertage, Sportfeste, Museumsbesuche, Schultheater, Konzerte – dies alles war wegen der Pandemiesituation unmöglich. Klar haben die Schüler*innen Lücken. Aber die schließt man nicht in zwei Wochen und auch nicht nur mit den Freiwilligen aus einer Klasse. Deshalb muss der alleinige Schwerpunkt der Sommerschule auf dem Nachholen der außerunterrichtlichen Aktivitäten, auf (erlebnis-)pädagogischen Konzepten und auch auf der Vermittlung von Selbstlerntechniken wie „Lernen lernen“ liegen.“

Da die Schüler*innenbeförderung in den Sommerferien aufgrund der Freiwilligkeit des Angebotes nicht gewährleistet ist, ist davon auszugehen, dass besonders in den ländlichen Regionen Bayerns nicht alle Schüler*innen, die an der Sommerschule teilnehmen möchten, problemlos zur Schule kommen können. Den wegen Corona eh schon stark belasteten Familien nun noch einen „Elterntaxi“-Dienst im Sommer aufzubürden, zeugt von Ignoranz und Bürger*innenferne.

Florian Kohl, stellvertretender Vorsitzender und Sonderpädagoge, berichtet von der Situation an den Förderschulen: „Viele Kinder und Jugendliche an unserer Schulform sind auf Pflegekräfte und barrierefreie Fahrdienste angewiesen. Die werden aber für die Sommerschule nicht bezahlt. Damit sind bereits viele Kinder vom Angebot ausgeschlossen. Zudem muss externes Personal gerade im Bereich der Sonderpädagogik qualifiziert sein. Da reicht es nicht, wie vom Kultusministerium vorgesehen, dass wir Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen die Unterstützungskräfte in die Aufsichtspflicht und die Lerninhalte einarbeiten. Das ist schlicht realitätsfern. Besser wäre es, das Geld in zusätzliches Personal im nächsten Schuljahr zu investieren.“

Die GEW stellt sich den Umgang mit dem durch Corona verpassten Stoff anders vor: Über die nächsten zwei bis drei Jahre müssen in den Fachlehrplänen Streichungen durch das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) vorgenommen werden. Zentral und verbindlich für alle Schulen, um Zeit für das Nachholen wichtiger verpasster Inhalte mit der ganzen Klasse zu gewinnen. Auch ist momentan genau die richtige Zeit, um über die Anzahl und Art der Leistungserhebungen nachzudenken. Eine moderne Leistungsmessung sieht anders aus als die punktuelle Wiedergabe von Wissen.

Eine gute Ausstattung der Schulen mit Differenzierungsstunden fordert die GEW Bayern schon lange als Selbstverständlichkeit ein. Das althergebrachte System mit einer Lehrkraft vor einer Klasse ist nicht zukunftsfähig. Corona hat uns gezeigt, dass hier Puffer im System vorhanden sein müssen. Die Pandemie muss von den Verantwortlichen als Chance gesehen werden, Bildung neu zu denken. Die GEW Bayern unterstützt hier gern mit ihrer Expertise!


21.6.2021
Martina Borgendale, Vorsitzende
Florian Kohl, stellv. Vorsitzender
GEW Bayern
www.gew-bayern.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert