GEW zu neuer Studie über Hochschulen in der Coronapandemie
GEW: „Rückkehr zur Normalität braucht aktive Unterstützung“
Frankfurt a.M. – Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat Bund und Länder aufgefordert, die Hochschulen bei der für das Sommersemester angekündigten Rückkehr zum Präsenzstudium als Regelfall aktiv zu unterstützen. „Nach vier Coronasemestern sind Studierende, Lehrende und Forschende am Limit. Digitale Lehrformate mussten gleichsam über Nacht entwickelt, häufig gleichzeitig Präsenzlehre angeboten werden. Distanz und Vereinsamung gingen mit psychischen Belastungen einher, die Vereinbarkeit von Familie und Wissenschaft kam an ihre Grenzen, pandemiebedingte Beeinträchtigungen und Verzögerungen von Forschungs- und Qualifizierungsvorhaben erhöhten den Druck auf befristet beschäftigte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“, sagte Andreas Keller, stellvertretender GEW-Vorsitzender und Vorstandsmitglied für Hochschule und Forschung, mit Blick auf eine von der Max-Traeger-Stiftung geförderte Studie, die die Bildungsgewerkschaft heute im Rahmen einer Online-Veranstaltung präsentiert.
Die Coronapandemie habe zwar auch das Potenzial für positive Veränderungen im Hochschulbetrieb wie die Reduzierung unnötiger Mobilität der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aufgezeigt, führten Projektleiterin Hanna Haag, Frankfurt University of Applied Sciences, und Projektmitarbeiter Daniel Kubiak, Humboldt-Universität zu Berlin, in ihrem Forschungsbericht aus. Dieses könne aber nur genutzt werden, wenn Bund, Länder und Hochschulen jetzt nachhaltige Strukturveränderungen auf den Weg brächten – etwa eine nachhaltige Nutzung der neu erworbenen Kompetenzen, eine Stärkung des Stellenwerts der Lehre an den Hochschulen oder die Schaffung langfristiger Perspektiven für den akademischen Mittelbau, heißt es in den Handlungsempfehlungen der Studienautorin und des -autors.
„Im Lichte der Studienergebnisse bleibt der Beschluss der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 10. März zur Ausgestaltung des Sommersemesters 2022 hinter den Anforderungen zurück“, kritisierte GEW-Vize Keller. Der von der KMK angekündigte „offene Dialog mit allen Teilen der Hochschulgemeinschaft“ sei zwar überfällig, die Länder müssten aber darüber hinaus rechtzeitig vor Semesterbeginn Maßnahmen ergreifen, um Studierende und Hochschulbeschäftigte zu unterstützen. Neben wirksamen Maßnahmen zum Gesundheits- und Infektionsschutz gehörten dazu individuelle Unterstützungs- und Beratungsangebote für Studierende sowie Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrende. Letztere müssten zudem von technischen und administrativen Aufgaben entlastet werden. Die Pandemiesemester dürften nicht auf Studienzeiten und Ausbildungsförderung angerechnet, Zeitverträge mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern müssten unbürokratisch verlängert werden.
Den Bund mahnte Keller, das Bundesprogramm „Digitale Hochschule“ sowie die Reformen des Bundesausbildungsförderungs- und Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, die im Ampelkoalitionsvertrag stehen, schnell auf den Weg zu bringen. „Die digitale Infrastruktur an den Hochschulen, einschließlich moderner Lehr- und Lernplattformen, ist dringend auszubauen. Die Studienfinanzierung und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses müssen krisenfest ausgestaltet werden. Eine bedarfsgerechte Ausbildungsförderung sowie Dauerstellen für Daueraufgaben und Mindestlaufzeiten für Zeitverträge in Forschung und Lehre sind dafür eine wichtige Grundlage“, betonte der GEW-Hochschulexperte.
Info: Die GEW-nahe Max-Traeger-Stiftung hat die Studie „Hochschule in krisenhaften Zeiten – Eine qualitativ-explorative Längsschnittstudie zum Erleben der Pandemie von Lehrenden, Forschenden und Studierenden“ von Hanna Haag und Daniel Kubiak gefördert. Die Untersuchung kann auf der GEW-Website heruntergeladen werden.
24.3.2022
Ulf Rödde
Pressesprecher
GEW-Hauptvorstand
www.gew.de