Thema Lehrkräftemangel: Teilzeit ist Teilzeit!

Mitteilung: GEW Bayern

Der Lehrkräftemangel in Grund-, Mittel- und Förderschulen ist gravierend. Dies führte bereits zum Schuljahr 2020/2021 unter dem Stichwort „Piazolo-Paket“ zu einer Reihe von Maßnahmen, die die Arbeitsbedingungen der Lehrer*innen weiter verschlechterten. Besonders betroffen sind Lehrkräfte, die in Teilzeit arbeiten, aber dennoch viele Aufgaben in Vollzeit übernehmen müssen. Das widerspricht einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2015, mahnt der bayerische Landesverband der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) an.

Die Aussagen von Ministerpräsident Kretschmann beherrschten in Baden-Württemberg in der letzten Woche die bildungspolitische Debatte. Um dem Lehrkräftemangel etwas entgegenzusetzen, forderte Kretschmann eine Erhöhung der Arbeitszeit sowohl für Teilzeitlehrkräfte als auch für Referendar*innen. Die GEW Baden-Württemberg reagierte entsetzt und kündigte Widerstand an. Die GEW Bayern zeigt sich solidarisch, denn in Bayern weiß man, was derartige Maßnahmen an den Schulen bewirken.

„Wir haben diese und weitere Maßnahmen für Teilzeitlehrkräfte in Bayern bereits an Grund-, Mittel- und Förderschulen. Eine freie Wahl hat man nur noch aus familienpolitischen Gründen, die Antragsteilzeit wurde stark begrenzt. Das betrifft vor allem viele ältere Kolleg*innen, die jetzt gezwungen werden, nur knapp unterhalb der Vollzeit zu arbeiten, das aber einfach nicht mehr schaffen. Die Anforderungen in vielen Schulen sind extrem und der Beratungsbedarf zu diesem Thema ist für mich als Personalrat stark gestiegen“, sagt stellvertretender Landesvorsitzender der GEW Bayern und Mitglied im Hauptpersonalrat Florian Kohl. „Das hat mit Fürsorge nichts zu tun, wenn überlasteten Kolleg*innen Teilzeit verwehrt wird und nur der Weg in die Krankheit oder in die Dienstunfähigkeit bleibt. Doch die Ministerien wählen einfach den für sie einfachsten Weg. Man hat zu wenig Lehrkräfte? Also arbeiten die einfach mehr, man macht die Klassen größer und schon stimmen die Zahlen auf dem Papier wieder. Das Ganze geht auf Kosten der Bildung all unserer Kinder“, so Kohl weiter.

Und er weist auf ein weiteres gravierendes Problem hin: „Viele Lehrkräfte, die in familienpolitischer Teilzeit arbeiten, müssen aufgrund des Mangels an Personal Klassenleitungen übernehmen. Doch die Teilzeit bemisst sich nur nach der reinen Unterrichtszeit. Ein Beispiel: Eine Kollegin, die in Teilzeit 15 Unterrichtsstunden pro Woche erteilt und Klassleiterin einer 4. Klasse ist, erledigt neben ihrer Unterrichtsvor- und -nachbereitung alle anderen Tätigkeiten in der Regel trotzdem in Vollzeit. Sie führt mit allen Eltern Gespräche, korrigiert alle Arbeiten, besucht alle Konferenzen und Teamsitzungen, schreibt alle Zeugnisse und Förderpläne. Sie arbeitet außerhalb des Unterrichts in Vollzeit. Das ist nicht rechtens und widerspricht einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2015. Damals hatte eine Lehrerin eingeklagt, auch ihre außerunterrichtlichen Tätigkeiten nur in Teilzeit erledigen zu müssen beziehungsweise dafür einen Ausgleich zu erhalten.“

Auch Ruth Brenner, ebenfalls Mitglied im Hauptpersonalrat, ist sich sicher: „Diese Maßnahmen gehen ausschließlich zulasten der Lehrkräfte und beuten vor allem diejenigen aus, die noch die Möglichkeit haben, in Teilzeit zu arbeiten. Überlastet sind mittlerweile aber alle. Das Kultusministerium muss endlich damit aufhören, nur die Zahlen auf dem Papier schönzufärben und mit falschen Maßnahmen ein Schulsystem zu stützen, das so nicht mehr funktioniert. Wir brauchen ein System, das jungen und motivierten Lehrkräften Gestaltungsfreiräume bietet und keines, dass sie in kürzester Zeit ins Burn-out treibt.“

Die GEW Bayern fordert eine Rücknahme der restriktiven Maßnahmen („Piazolo-Paket“), eine Veränderung der Lehrkräfteausbildung hin zu mehr Flexibilität, attraktive Arbeitsbedingungen, angefangen mit der gerechten Bezahlung aller Lehrkräfte und konstruktive Konzepte im Umgang mit dem Lehrkräftemangel.

Faktencheck: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 16.07.2015 – 2 C 16.14

Geklagt hatte eine Oberstudienrätin in Teilzeit. Aufgrund ihres Amtes übernahm sie eine Funktionstätigkeit. Dies sind dauerhafte, nicht unmittelbar unterrichtsbezogene schulische Verwaltungsaufgaben wie in diesem Fall die Leitung der Schulbibliothek oder die Organisation des Schüleraustauschs. Die Frau hatte jedoch die gleiche Anzahl an Stunden in dieser Tätigkeit zu verrichten wie Kolleg*innen in Vollzeit. Ihre Klage wurde in den ersten beiden Instanzen abgewiesen. Erst das BVerwG gab der Klage Recht: „Teilzeitbeschäftigte Beamte haben einen Anspruch darauf, nicht über ihre Teilzeitquote hinaus zur Dienstleistung herangezogen zu werden. Deshalb dürfen teilzeitbeschäftigte Lehrer in der Summe ihrer Tätigkeiten (Unterricht, Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Teilnahme an Schulkonferenzen etc., aber auch Funktionstätigkeiten, d. h. nicht unmittelbar unterrichtsbezogene schulische Verwaltungsaufgaben, wie z. B. die Leitung der Schulbibliothek) nur entsprechend ihrer Teilzeitquote zur Dienstleistung herangezogen werden.“

Quelle: https://www.bverwg.de/160715U2C16.14.0


5.5.2022
Florian Kohl, stellvertretender Vorsitzender
Ruth Brenner
GEW bayern
www.gew-bayern.de

 

 

 

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