„Laut, wild, unberechenbar: Benni!“

Ein Rückblick auf eine GEW-Veranstaltung

von Günther Schmidt-Falck

„Laut, wild, unberechenbar: Benni!“ – so lautete der Titel der GEW-Veranstaltung im Großhabersdorfer Lichtspielhaus. 70 BesucherInnen kamen am 29.11.2019 zur Filmvorführung des Films „Systemsprenger“. Die Geschichte eines neunjährigen traumatisierten Mädchens, das unfähig ist, seinen Platz in der Gesellschaft einzunehmen und alle „Systeme sprengt“ ließ die Zuschauer sehr nachdenklich, berührt und betroffen zurück.

Worum geht es in dem Film?
Pflegefamilie, Wohngruppe, Sonderschule: Egal, wo Benni (Bernadette) hinkommt, sie fliegt sofort wieder raus. Die wilde Neunjährige ist das, was man im Jugendamt einen „Systemsprenger“ nennt. Dabei will Benni, die in ihrer frühen Kindheit schreckliche Erlebnisse hatte, nur eines: Liebe, Geborgenheit und wieder bei ihrer Mutter wohnen! Doch die Mutter Bianca hat Angst vor ihrer unberechenbaren Tochter. Als es keinen Platz mehr für Benni zu geben scheint, und keine Lösung mehr in Sicht ist, versucht der Anti-Gewalttrainer Micha, sie aus der Spirale von Wut und Aggression zu befreien.

Micha zog sich mit Benni in sein abseits gelegenes Wochenendhaus zurück. Es gab keinen Strom, weder Fernsehen noch Handy oder Computer. Die beiden waren auf sich gestellt. Milch wurde beim nahen Bauern geholt. Benni stieß schnell an ihre Grenzen. Selbst der Hund des Bauern flößte ihr panische Angst ein, sobald er sein Revier bellend verteidigte.

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Geringste Abweichungen von dem, was sie als aushaltbar empfand, reichten aus, um sie ausrasten zu lassen. Sie schrie, schlug um sich, warf sich auf den Boden, flüchtete. Micha war der einzige, der sich zwar immer wieder deutlich von Benni abgrenzte und Grenzen setzte, der ihr aber auch immer wieder die Stange hielt, sie nicht fallen ließ und ihr auch vermittelte, dass er sie mochte. Während das „System“ von Jugendamt, Erziehungsberatung, Schule und Kita zu starr an rechtliche, organisatorische und personelle Möglichkeiten gebunden war und deshalb scheitern musste (und eine Art „Systemsprengung“ erlebte), konnte Micha individuell reagieren und zu Benni eine „Beziehung“ aufbauen.

Grenzen der Veränderung
Im Laufe des Films stabilisierte sich Benni etwas. Sie lernte, die Schule wieder teilweise zu besuchen, konnte vor der Klasse sprechen und suchte Strategien im Umgang mit provozierenden MitschülerInnen. Dieses stete Ringen um Bennis Zurechtkommen, um ihre streckenweise Anpassung an äußere Zustände und Einflüsse, ihre regelmäßig auftauchenden „Abstürze“ ließen die ZuschauerInnen mitfiebern, mithoffen, aber auch verzweifeln, wenn sie wieder mal gegen eine „Wand“ lief.

Insgesamt ein extrem bewegender Film, der kein gutes Ende fand, aber auch kein schlechtes. Der Film zeigte den Veränderungsprozess von Benni, der wohl, so steht zu hoffen, nicht zu Ende sein wird und in der Realität auch nicht sein würde. Die Filmfigur Benni wird sicher im Laufe ihres Lebens weiterhin lernen, mit den traumatischen Erlebnissen ihrer Kindheit umzugehen und ihr Leben in vielen Bereichen bewusster steuern zu können. Eine komplette „Auslöschung“ ihrer negativen Erlebnisse gilt als nicht wahrscheinlich.

Nicht damit alleine sein
Nach dem Film nutzten noch einige ZuschauerInnen das Gesprächsangebot der GEW. Es ergab sich eine nachdenkliche und sehr betroffene Aussprache mit dem Tenor: Es kann doch nicht sein, dass man in einem Fall wie Benni nichts machen könne. Sie brauche Liebe, Zugehörigkeit, Heimat, Sicherheit … Und warum habe man nicht versucht, die Mutter besser einzubinden?

Es zeigte sich im Verlauf der Diskussion, dass es wahnsinnig schwer ist, solche menschlichen Grenzerfahrungen „auszuhalten“. Es zeigte sich aber auch, dass gerade nach solchen Erfahrungen eine Aussprache, ein „Nicht-allein-damit-Sein“ sehr wichtig ist und war.

Wir von der GEW Ansbach haben jedenfalls im Anschluss an den Film beschlossen, solche Filmveranstaltungen zu wiederholen und den anschließenden Austausch wieder anzubieten und über unsere Erziehungserfahrungen, Betroffenheiten und auch Hilfslosigkeiten zu sprechen und nicht allein damit zu sein.


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