Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 60: Chaos stiften und Angst verbreiten

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 60

 

Chaos stiften und Angst verbreiten

„Die Worte Kritik und Krise haben einen gemeinsamen griechischen Ursprung. Sie kommen von krino, was soviel bedeutet wie: scheiden, trennen, sichten, aber auch richterlich urteilen und entscheiden.

Wenn von einer Sache gesagt wird, sie befinde sich in der Krise, heißt das also, dass zusammengehörige Elemente, deren Verbindung als ‚natürlich‘ gilt, sich zu trennen beginnen …“
(Oskar Negt)

In Analogie zu Erkenntnissen aus der Trauma-Forschung möchte ich folgende These aufstellen: Wie ein Mensch durch eine Abfolge von lauter Teiltraumatisierungen in seiner Ich-Entwicklung häufig schwerer geschädigt wird als durch ein einzelnes zentrales Trauma, das er unter bestimmten Bedingungen einzukapseln vermag, so werden auch ganze Gesellschaften durch multiple Krisen, die sich überlagern und wechselseitig verstärken, schwerer erschüttert, als durch eine noch so schwere einzelne, zum Beispiel auf das Finanzsystem begrenzte, Krise. Diese allein könnte andere gesellschaftliche Bereiche unberührt lassen, die diese Krise unbeschadet überstehen und als stabilisierende Faktoren erhalten bleiben. Für den Typus der multiplen Krise hat Oskar Negt den Begriff „Erosionskrise“ eingeführt.
Erosionskrise meint eine die Gesamtgesellschaft erfassende und bis in ihre Poren eindringende Entmischung des vorher selbstverständlich Zusammengehörigen. Alles wird grundsätzlich in Frage gestellt: die Institutionen ebenso wie die subjektiven Einstellungen, Wertsysteme und Erziehungsmuster, die politischen Regulationsmechanismen ebenso wie die Organisationsformen von Interessen und das Parteiensystem. Die Gesamtgesellschaft gerät aus den Fugen, kaum ein Stein bleibt auf dem anderen. … weiter


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