Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 60: Chaos stiften und Angst verbreiten

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 60

 

Chaos stiften und Angst verbreiten

„Die Worte Kritik und Krise haben einen gemeinsamen griechischen Ursprung. Sie kommen von krino, was soviel bedeutet wie: scheiden, trennen, sichten, aber auch richterlich urteilen und entscheiden.

Wenn von einer Sache gesagt wird, sie befinde sich in der Krise, heißt das also, dass zusammengehörige Elemente, deren Verbindung als ‚natürlich‘ gilt, sich zu trennen beginnen …“
(Oskar Negt)

In Analogie zu Erkenntnissen aus der Trauma-Forschung möchte ich folgende These aufstellen: Wie ein Mensch durch eine Abfolge von lauter Teiltraumatisierungen in seiner Ich-Entwicklung häufig schwerer geschädigt wird als durch ein einzelnes zentrales Trauma, das er unter bestimmten Bedingungen einzukapseln vermag, so werden auch ganze Gesellschaften durch multiple Krisen, die sich überlagern und wechselseitig verstärken, schwerer erschüttert, als durch eine noch so schwere einzelne, zum Beispiel auf das Finanzsystem begrenzte, Krise. Diese allein könnte andere gesellschaftliche Bereiche unberührt lassen, die diese Krise unbeschadet überstehen und als stabilisierende Faktoren erhalten bleiben. Für den Typus der multiplen Krise hat Oskar Negt den Begriff „Erosionskrise“ eingeführt.
Erosionskrise meint eine die Gesamtgesellschaft erfassende und bis in ihre Poren eindringende Entmischung des vorher selbstverständlich Zusammengehörigen. Alles wird grundsätzlich in Frage gestellt: die Institutionen ebenso wie die subjektiven Einstellungen, Wertsysteme und Erziehungsmuster, die politischen Regulationsmechanismen ebenso wie die Organisationsformen von Interessen und das Parteiensystem. Die Gesamtgesellschaft gerät aus den Fugen, kaum ein Stein bleibt auf dem anderen. … weiter


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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 57: Orwells Rosen

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 57

 

Orwells Rosen

„Seit Bakunin hat es in Europa keinen radikalen Begriff von Freiheit mehr gegeben.“
(Walter Benjamin)

Bei der Hitze, die seit einigen Tagen über uns gekommen ist, sitze ich morgens bereits am Fluss. Es gibt um diese Zeit noch keine Lärm-Trottel und sonstige Vollpfosten. Es kommt vor, dass ein früher Kanufahrer unterwegs ist. Um diese Zeit grüßt man sich. Dann gleitet er, beinahe lautlos vorüber und verschwindet hinter der nächsten Flussbiegung. Gestern war der Fluss von Blättern übersät, die die Bäume wegen der großen Trockenheit bereits abwerfen. Sie sind derart trocken, dass sie nicht untergehen, sondern auf der Wasseroberfläche dahintreiben. Als ich schwimmen ging, sahen die zusammengerollten Blätter aus wie bunte Schiffchen, die in Augenhöhe um mich herumschwammen. Es waren hunderte und jeder Windstoß vergrößerte ihre Anzahl. Es gab gelbe, grüne und braune. Im Laufe des Tages wird das Wasser sie verschlucken. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 45: Wer ist schuld an mir?

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 45

 

Wer ist schuld an mir?

Die Götter sind verschwunden, wir sind der Natur völlig egal und wir sind allein im Kosmos. Und doch haben wir eine moralische Verpflichtung, uns umeinander zu kümmern und in der menschlichen Solidarität Bedeutung zu finden.“
(Paul Auster)

Gestern Abend sah ich eine Wissenschaftssendung, in der auf die Bedeutung von Seegraswiesen für die Aufrechterhaltung des ökologischen Gleichgewichts hingewiesen wurde. Sie bänden jede Menge Kohlenstoff und wären ein wichtiger Faktor im Kampf gegen den Klimawandel. Der Naturbezug, der in dieser Argumentation zutage tritt, ist genauso instrumentell wie jener, der in einer alten Eiche nur Festmeter Holz für die Möbelindustrie erblickt. Die Seegraswiese hätte ihr Recht, auch wenn sie zu nichts nutze und einfach nur da wäre. Die Natur besitzt ihre eigene Würde, die zerstört, wer sie zum Mittel für fremde Zwecke macht – selbst wenn es der Zweck wäre, den Planeten zu retten. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 33: Ein Rotmilan kreist über dem Dorf

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 33

 

Ein Rotmilan kreist über dem Dorf

„Einen erstklassigen Kopf erkennt man daran, dass er in der Lage ist, zwei widersprüchliche Gedanken gleichzeitig zu denken, und trotzdem noch funktioniert. Man sollte beispielsweise in der Lage sein zu erkennen, dass die Lage hoffnungslos ist, und dennoch entschlossen sein, das zu ändern.“
(Scott Fitzgerald)

Am Dienstag bin ich unten am Zeltplatz der Sportjugend schwimmen gegangen. Eine steinerne Treppe führt ins Wasser. Ein recht großes Segelboot hatte am Geländer dieser Treppe festgemacht, und ich musste über das Tau steigen, um ins Wasser zu gelangen. Irgendwann kamen zwei alte Männer von einer Wanderung zurück und stiegen an Bord. Sie entschuldigten sich für die unbeabsichtigte Sperrung der Treppe. Sie seien Freunde seit der Uni, erzählten sie mir, und jedes Jahr gingen sie ein paar Tage gemeinsam segeln. Beneidenswert so eine beständige Freundschaft.

Nach dem Bad habe ich noch ein paar Seiten gelesen und mich dann an den Aufstieg gemacht, einen ganz steilen Weg hinauf. So gegen 17 Uhr kam ich in der Pension an, hab Spargel und Kartoffeln geschält, Kräuter geholt und kleingewiegt. Es wurde ein tolles Abendessen. … weiter

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