Wohltuende Bauchpinseleien

gsf – Am 8.4.2020 flatterte Post von Prof. Dr. Michael Piazolo, Bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus, in die Haushalte pensionierter Lehrkräfte. Das Schreiben war betitelt „Sicherung der Unterrichtsversorgung an bayerischen Grund-, Mittel- und Förderschulen“.

Der erste Absatz lautet, damit ihr LeserInnen wisst, worum es geht, folgendermaßen:
„… viele Jahre haben Sie während Ihrer Zeit als aktive Lehrkraft Ihre Schülerinnen und Schüler mit viel Einsatz und Engagement auf deren Schullaufbahn begleitet. Fachlich, pädagogisch und menschlich haben Sie auf diese Weise  zahlreiche Schülergenerationen im besten Sinne mitgeprägt.“

Ja, und …? Was will er denn nun, der Kultusminister? Die „vorhandenen Bewerberinnen und Bewerber [reichen] in den kommenden Jahren nicht mehr [aus], um die steigenden Lehrerbedarfe zu decken.“  Aha, er will die „erfahrene Lehrkraft im Ruhestand“ vorübergehend zurück in die Schulen holen.

Eine dieser im Ruhestand befindlichen KollegInnen hat dazu einen Kommentar geschrieben:


Der Kultusminister ist auf Altlehrerfang

Ein Kommentar von Anonymus

Wer von uns älteren Zauseln erinnert sich nicht an das Lied von Reinhard May: „Musikanten sind in der Stadt“, in dem die Menschen aufgefordert wurden, die Wäsche von der Leine zu nehmen und in Sicherheit zubringen. Heute müsste es heißen, „versteckt alle Lassos und Rollstühle“, der Kultusminister ist auf Altlehrerfang!

Als Staffage vor der Tafel würden einige von uns sicher ein beeindruckendes Bild abgeben! Ich selbst, Jahrgang 1951, erinnere mich an einige Lehrer des Lehrkörpers – so hieß das damals tatsächlich – bei denen die Haftcreme des Gebisses im Unterricht zeitweise heillos versagte oder das beihilfefähige Hörgerät mit den sensiblen Tönen überfordert war und wir uns bei Klassenarbeiten den Lösungsweg und das Ergebnis mathematischer Gleichungen gefahrlos zuraunen konnten.

Auch wenn wir uns heute rundum fit und geistig rege fühlen, sollte man uns doch den wohlverdienten Ruhestand gönnen und uns nicht mit gutgemeinten und wohltuenden Bauchpinseleien zum Abdecken von Missständen bitten.

Jetzt ist die Zeit der jungen, engagierten, aktiven und kreativen Lehrer, die bereit sind, sich einzubringen und Erfahrungen zu sammeln. Wir Älteren dürfen nicht eine Fehlplanung verwalten und schönfärben!

Euch jungen Leuten kann ich nur mit auf den Weg geben, dass euer Job ein unendlich wertvoller, wichtiger, bereichernder und … leider immer härter werdender ist. Jetzt ist eure Zeit!!!


Bild von Augusto Ordonez auf Pixabay


siehe dazu auch: Bildungsgewerkschaft GEW entsetzt! Kultusministerium bittet Pensionäre in Zeiten von Corona zurück in den Schuldienst