„Rechtsanspruch und Wirklichkeit liegen weit auseinander!”

Bildungsgewerkschaft GEW zum zehnjährigen Bestehen des Rechtsanspruchs auf einen Platz in der Kindertagesbetreuung

„Nicht alle Kinder, die einen Anspruch haben, bekommen auch einen Kita-Platz. Anspruch und Wirklichkeit liegen immer noch weit auseinander. Dieses Fazit müssen wir nach zehn Jahren Rechtsanspruch auf einen Platz in der Kindertagesbetreuung ziehen“, sagte Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, am Dienstag in Frankfurt a.M. „Zehn Jahre nach Inkrafttreten des Rechtsanspruchs gibt es mehr als 383.000 Kinder, die keinen Platz in der Kindertagesbetreuung haben. Das darf nicht sein!”

So sei zwar die Betreuungsquote in den letzten zehn Jahren nach Erhebungen des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend insgesamt um 2,3 Prozent gestiegen, gleichzeitig liege allerdings der Anteil der Familien, die erst gar keinen Platz erhalten, bei 14 Prozent. „Das Fatale dabei ist, dass insbesondere Familien mit nicht-deutscher Familiensprache oder strukturell benachteiligte, also beispielsweise armutsgefährdete Familien, oft zu den Leidtragenden ohne Kita-Platz gehören”, erklärte Siebernik. Damit verfehle der Rechtsanspruch das Ziel, Kindertagesbetreuung für alle in der Gesellschaft sicherzustellen. Besonders besorgt zeigte sich die Kita-Expertin über den Rückgang in der Betreuungsquote bei den Kindern über drei Jahren. Dieser ging von 94,4 Prozent in 2015 auf 91,7 Prozent in 2022 zurück.

„Wir erleben die Auswirkungen eines Investitionsstaus von über zehn Milliarden Euro im Bereich der kommunalen, frühkindlichen Bildung. Bund und Länder müssen den Kommunen bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs finanziell unter die Arme greifen”, so die Kita-Expertin. Zudem führe der dramatische Fachkräftemangel dazu, dass fertig gebaute Einrichtungen verspätet oder gar nicht eröffnet werden können, da vielerorts schlicht das Personal fehle. „Genau deshalb müssen jetzt die Weichen für ein echtes Qualitätsgesetz gestellt werden”, forderte Siebernik.

Der Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung habe das Potenzial, die Gesellschaft gerechter und besser zu machen, so das GEW-Vorstandsmitglied. Es sei aber an der Zeit, diesen Weg mit einem gemeinsamen Kraftakt konsequent weiter zu gehen. „Das bedeutet, die Kindertagesbetreuung quantitativ und qualitativ auszubauen, um keinen Kita-Kollaps zu riskieren, sondern stattdessen ab 2026 den nächsten großen Schritt zu gehen – den Rechtsanspruch auf den Ganztag an Grundschulen.”

Info: Seit dem 01.08.2013 gilt ein der flächendeckende Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung. Gemäß § 24 SGB VIII muss für jedes Kind zwischen 1 und 3 Jahren ein Platz in einer Kindertagesstätte (Kita) verfügbar sein.


1.8.2023
Ulf Rödde
Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands
GEW
www.gew.de

 

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