In den Blick gerückt: Mehr-sprachliche Bildung im Lehramtsstudium
Bericht: PH Karlsruhe
Die Tagung „Mehr-sprachliche Bildung im Lehramtsstudium“ brachte am 5. und 6. März Hochschullehrende und Mehrsprachigkeitsforschende an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe zusammen. Sie diskutierten Modelle aus der Praxis universitärer Lehre sowie Forschungsprojekte. Tagungsleiterin Prof. Dr. Heidi Rösch plädiert dafür, mehr-sprachlicher Bildung im Lehramtsstudium in Baden-Württemberg größeres Gewicht zu verleihen.
Migrationsbedingte Mehrsprachigkeit ist für die Gesellschaft und das Bildungssystem sowohl Bereicherung als auch Herausforderung. Die Frage, wie die universitäre Lehre in Lehramtsstudiengängen auf diese sprachliche Vielfalt reagieren kann, stand im Zentrum der interdisziplinären Tagung „Mehr-sprachliche Bildung im Lehramtsstudium“. Veranstaltet hatte sie am 5. und 6. März die Pädagogische Hochschule Karlsruhe.
Zahlreiche Hochschullehrende sowie Mehrsprachigkeitsforschende nutzten die Gelegenheit, sich über verschiedene Modelle aus der Praxis universitärer Lehre sowie Forschungsprojekte mit Lehramtsstudierenden zu informieren. Auf dem Programm standen Vorträge namhafter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland und Österreich zu Migrationsmehrsprachigkeit, Sprachbildung oder Sprachbewusstheit sowie eine Podiumsdiskussion zu der Frage, wie sich mehr-sprachliche Bildung im Lehramtsstudium nachhaltig etablieren lässt.
„Wir freuen uns, dass wir mit unserer Tagung mehr-sprachliche Bildung im Lehramtsstudium als wichtiges Thema für Schule und Gesellschaft erneut in den Fokus rücken konnten“, zieht Prof. Dr. Heidi Rösch eine positive Bilanz der zweitägigen Veranstaltung. „Es wurde deutlich, dass in Deutschland und Österreich ganz ähnliche Diskurse geführt werden“, so die Tagungsleiterin und Professorin für interkulturelle Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe.
Mehr-sprachlicher Bildung im Lehramtsstudium größeres Gewicht verleihen
Prof. Dr. Marion Döll von der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich etwa wies im Rahmen der Podiumsdiskussion darauf hin, dass „die meisten Lehramtsstudierenden immer noch auf Deutsch-Assimilation gepolt seien.“ Sie plädiert dafür, die unterschiedlichen Familiensprachen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund nicht im Unterricht zu verbieten, sondern sie einzubeziehen. Lehramtsstudierende müssten unterstützt werden, „pädagogisch sinnvolle Lösungen zu finden.“ Dr. Erkan Gürsoy von der Universität Duisburg-Essen unterstrich: „Deutsch ist nicht der Schlüssel zu allem. Es gibt ein Recht aller Schülerinnen und Schüler auf Teilhabe am Fachunterricht.“ Und Prof. Dr. Beate Lütke von der Humboldt Universität zu Berlin machte deutlich, dass viele Lehramtsstudierende keinen klaren Begriff davon haben, was Mehrsprachigkeit bedeutet. Deshalb sei es wichtig, dass ihnen die beteiligten Disziplinen zum Thema mehr-sprachliche Bildung abgestimmte Konzepte und Handlungsempfehlungen anbieten.
Prof. Dr. Rösch empfiehlt „keine zu schnellen Schritte in Richtung Unterrichtspraxis“. Lehramtsstudierende sollten erst einmal die Möglichkeit haben, „sich diskursiv mit den für ihr zukünftiges Berufsfeld relevanten fachdidaktischen, fach- und bildungswissenschaftlichen Fragen auseinanderzusetzen, ihre Einstellungen und Überzeugungen zu mehr-sprachlicher Bildung zu entfalten und sprachliche Bildung in Bildungsstandards, Bildungsplänen sowie der schulischen Praxis kritisch zu reflektieren.“ Sie plädiert dafür, der mehr-sprachlichen Bildung im Lehramtsstudium auch in Baden-Württemberg größeres Gewicht zu verleihen und sich am Berliner Modell zu orientieren.
Zum Hintergrund der Tagung
Die Tagung „Mehr-sprachliche Bildung im Lehramtsstudium“ fand im Anschluss an das trinationale Projekt „Mehr-sprachliche Bildung. Language-Awareness-Konzepte im Unterricht aller Fächer“ (MeLA) statt. Die Projektleitung lag bei Prof. Dr. Heidi Rösch, Pädagogische Hochschule Karlsruhe. Im Fokus des mit Unterstützung der Europäischen Kommission durchgeführten Projekts stand die Sensibilisierung für Migrationsmehrsprachigkeit auf individueller, institutioneller und gesellschaftlicher Ebene. Entwickelt und erprobt wurde auch didaktisches Material für Lehrkräfte sowie Unterrichtsmaterial für Schülerinnen und Schüler. Die Materialien können direkt in der Schule eingesetzt werden und stehen zum Download auf https://mela.ph-karlsruhe.de zur Verfügung.
Sprachliche Vielfalt auch Thema des neuen PHKA-Bildungsjournals
„Mehrsprachliche Bildung und Bilinguales Lehren und Lernen“ ist einer der Profilschwerpunkte der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Deshalb setzt sich die neueste Ausgabe von DIALOG, dem Bildungsjournal der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe, aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Thema „Sprachliche Vielfalt“ auseinander. Das im März erschienene Heft steht auf www.ph-karlsruhe.de/hochschule/publikationen als pdf zur Verfügung. Enthalten sind unter anderem Beiträge zum MeLa-Projekt und zu poetischer Mehrsprachigkeit.
=> Direktdownload Dialog Heft 11 Sprachliche Vielfalt
PM v. 11.3.2020
www.ph-karlsruhe.de