Bildungsgewerkschaft GEW zur Videoschalte der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder

GEW: „Kein ‚Weiter so!‘ – endlich Tempo machen“

Frankfurt a.M. – Mit Blick auf die Ergebnisse der Videoschalte von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) klargestellt, dass es für Schulen und Kitas angesichts der steigenden Corona-Infektionszahlen ein „Weiter so!“ nicht geben darf. Wenn offene Schulen und Kitas höchste Priorität aus sozialen Gründen haben sollen, müssten Lehrkräfte und Erzieherinnen besonders geschützt werden. Die Beschäftigten setzten ihre Gesundheit ein, um dieses Ziel zu erreichen.

„Die GEW schlägt vor, dem Rat des Robert Koch-Instituts (RKI) zu folgen und in der Schule in kleineren Gruppen zu unterrichten. Ab dem 5. Schuljahr sollte Wechselunterricht zwischen Präsenz- und Fernlernphasen ab einem Inzidenzwert von 50 angeboten werden. So können die Gruppen verkleinert und Abstände eingehalten werden“, sagte GEW-Vorsitzende Marlis Tepe am Mittwoch in Frankfurt a.M. „Zusätzlich muss gesichert sein, dass in den Klassenzimmern regelmäßig und konsequent gelüftet wird. Räume, in denen Lüften nur eingeschränkt möglich ist, müssen umgehend mit wirksamen Luftfiltern ausgestattet werden. Wir brauchen Gefährdungsbeurteilungen, bessere Hygienemaßnahmen und einen besseren Gesundheitsschutz.“ Nur so könne die Schließung von Schulen verhindert werden.

Zudem müssten alle Lehrkräfte und Lernenden endlich digitale Endgeräte erhalten, die Ausstattung komme zu langsam voran. Für Schülerinnen und Schüler, denen die technischen Mittel zum Lernen zu Hause fehlen, müsse dringend nachgesteuert werden. Auch die Frage der digitalen Infrastruktur für Schulen und der Systemadministratoren, so Tepe, sei längst nicht flächendeckend gelöst. „Um den Gesundheitsschutz, das Recht auf Bildung und die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Familie unter einen Hut zu bringen, sollten die Grundschulen so lange wie möglich geöffnet bleiben.“ Dafür sei es notwendig, für Grundschulklassen alle Möglichkeiten auszuloten, in größeren Räumen zu unterrichten. Lehramtsstudierende sollten auf freiwilliger Basis eingesetzt werden, um Kleingruppen sowie Kinder und Jugendliche mit Lernproblemen zu unterstützen. Eine Aufstockung des Personals sei dringend notwendig.

Für die Kitas verlangte die GEW-Vorsitzende, die individuellen Gefährdungsbeurteilungen nach Arbeitsschutzgesetz umzusetzen. Deren Ergebnisse und Empfehlungen seien einzuhalten, um die Beschäftigten zu schützen. Jede Kita brauche passgenaue und wirksame Hygienepläne. Die Regelungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) für Kitas zum Infektionsschutz seien zu beachten und umzusetzen. Weiter müssten alle Kitaträger Betriebsmediziner einsetzen, diese sollten die Risikogruppen bei den Beschäftigten beraten und im Einzelfall von der Arbeit in der Kita freistellen. Tepe regte an, freiwillige, kostenfreie Coronatests sowie eine Grippeschutzimpfung für die Beschäftigten anzubieten. „In Einrichtungen, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, ist ein Betrieb der Kita nicht zu verantworten“, betonte Tepe. Kitaschließungen dürften nicht ausgeschlossen werden, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse nahelegen, dass Kitas eine Rolle bei der Verbreitung des Coronavirus spielen oder es ein erheblich erhöhtes Risiko für die Beschäftigten gibt.

Tepe mahnte die Politik, die Parlamente auf Bundes- und Landesebene im Kampf gegen die Corona-Pandemie stärker zu beteiligen, um die Akzeptanz der einschneidenden und notwendigen Maßnahmen bei der Bevölkerung auf eine breitere Legitimationsgrundlage zu stellen. Das Rechtsstaatsprinzip mit den Grundsätzen der Gewaltenteilung, das in der Verfassung verankert ist, sei ein hohes Gut. „Die Stunde der Exekutive war am Anfang der Pandemie im Frühjahr angemessen, geboten und erforderlich. Jetzt muss wieder die Stunde der Parlamente schlagen“, betonte Tepe.

„Die aktuelle Entwicklung ist für die Demokratie, den Zusammenhalt der Gesellschaft und den allgemeinen Gesundheitsschutz problematisch.“ Beratungen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten und die daraus resultierenden Rechtsverordnungen auf Bundes- und Landesebene könnten einen breiten parlamentarischen Prozess nicht ersetzen. Die Möglichkeiten gesellschaftlicher Gruppen, einschließlich der Gewerkschaften, ihre Expertise etwa in einem Gesetzgebungsverfahren über Anhörungen und Stellungnahmen einzubringen, sei besser als auf die Kabinettsbeschlüsse zu Verordnungen einzuwirken. „Mehr Legislative statt Exekutive!“, unterstrich die GEW-Vorsitzende.

Info: Viele Kitas haben auf Gruppenmodelle umgestellt. Deshalb kommt es bei Infektionen meist nicht zu kompletten Schließungen der Einrichtungen. Aktuell sind 108 Infektionsfälle in Kitas aus der vergangenen Woche bekannt. 63 Prozent der Infizierten sind 15 Jahre oder älter, 29 Prozent sind 0 bis 5 Jahre alt (Quelle: Corona-Kita-Studie).
Lediglich in 20 Fällen kam es zu „Ausbrüchen“, sprich es waren mehr als drei Menschen in einer Kita betroffen und es ist ggf. von einer Weitergabe in der Kita auszugehen.


28.10.2020
Ulf Rödde
Presesprecher
GEW-Hauptvorstand
www.gew.de

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