Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 75: Die Geburt des Sozialismus aus dem Geist des Ressentiments

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 75

 

Zur Dialektik der Einsamkeit

„Twitter ist wie Menschen, nur noch mehr. Twitter nach Einbruch der Dunkelheit sind verlassene Kinder, die um Aufmerksamkeit buhlen. Twitter ist das Es, wenn es tippen könnte.“
(A. L. Kennedy)

(c)Foto: Letzte Generation – Aktion Köln, 9.3.2023

Jetzt bekommt meine Oberkieferprothese tatsächlich eine Gaumenplatte. Ohne sie würde die Konstruktion nicht halten. Sie ist durch das eingebaute Metall derart schwer, dass sie einfach der Schwerkraft folgt und runterfällt. Gestern Abend ist sie mir beim Husten rausgefallen. War eben in der Praxis, wo man Abdrücke genommen hat. Nun muss ich ein paar Stunden ohne auskommen, dann kann ich mir am Nachmittag das hoffentlich gut sitzende Teil wieder abholen. Meine Sorge: Werde ich noch etwas schmecken und vor allem: Wird die Gaumenplatte mich beim Sprechen behindern? Wir man mich noch verstehen können? Drastischer kann man kaum mitgeteilt bekommen, dass man alt und hinfällig ist.

Anderntags hat sich die Lage etwas entspannt und der Panikpegel ist merklich gesunken. Ich bin gestern Nachmittag, nachdem ich das Teil eingesetzt bekommen habe, gleich in die Stadt und habe Freunde besucht. Die merkten schon, dass ich etwas lispelte und verwaschen sprach, aber man könne mich trotzdem gut verstehen. Es hat sich als richtig erwiesen, unter Menschen zu gehen und loszureden und mich nicht zu Hause zu vergraben. Lesungen werde ich wahrscheinlich keine mehr durchführen können, aber meine Sozialphobie wird sich der Prothese als Begründung nicht bedienen können können. Schokolade, die ja am Gaumen schmilzt und ihren Geschmack von dort aus im Mund verteilt, wird nicht mehr so gut munden, aber eine Verringerung des Schokoladenkonsums wäre zu verschmerzen, vielleicht sogar zu begrüßen.  … weiter
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Foto: letztegeneration.org


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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 71: Die Schlange, der Riss und der Tod

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 71

 

Die Schlange, der Riss und der Tod

„Dummheit ist von allen nachwachsenden Energien die zuverlässigste.“
(Sten Nadolny)

Auf dem Alten Friedhof saß ein junger Mann auf einer Bank und fütterte die Eichhörnchen, „meine“ Eichhörnchen. Sie wuselten in größerer Zahl um ihn herum und schienen vertraut mit ihm. Bei mir stellten sich umgehend Eifersuchtsgefühle ein. Als er sah, dass auch ich Nüsse mit mir führte, fühlte er sich bemüßigt Äußerungen zu tätigen, die seine Priorität in Sachen Eichhörnchen-Fütterung betonten. „Heute bevorzugen sie Erdnüsse“, sagte er. Wie zur Bestätigung wurde eine von mir ins Spiel gebrachte Walnuss ignoriert und einfach liegen gelassen. Er nahm das als Beleg für seine größere Vertrautheit mit den Tieren. Er behauptete nun, dass die Eichhörnchen 95 Prozent der von ihnen vergrabenen Nüsse nicht mehr wiederfänden. Feldversuche hätten das ergeben, er habe entsprechende Studien gelesen. Ich bezweifelte diese hohe Fehlerquote, ganz so dämlich und vergesslich seien die Hörnchen nicht. Ich konnte aber wissenschaftlich nichts gegen seine Behauptung aufbieten. Er beharrte auf seinen Zahlen und wiederholte sie eins ums andere Mal.

Der junge Mann gab sich als Mitglied einer Verbindung zu erkennen, die ihr Hauptquartier direkt neben dem Friedhof hat. Ich habe unter dem rechten Augen eine Narbe, die von einer Jochbeinverletzung herrührt, die er aber für einen „Schmiss“ hielt. Er fragte, ob ich einer schlagenden Verbindung angehörte. Als ich verneinte und meine tiefe Abneigung gegen solche Vereinigungen zum Ausdruck brachte, ging unser Gespräch schnell zu Ende. … weiter
(Hinweis: Der Link führt seit Nummer 66 auf die eigene Seite der durchhalteprosa.de )

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