Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 73: Das Rätsel der „freiwilligen Knechtschaft“

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 73

 

Sowjetkommunismus

Das Rätsel der „freiwilligen Knechtschaft“

„Unglücke geschahen keine, das Leben war das Unglück, es floss dahin und kannte nur eine Richtung, hin zur allmählichen Zermürbung.“
(Lukas Bärfuss: Die Krume Brot)

Am Freitag war ich zu einem clandestinen Treffen im „Fluchthafenkaffe“ eingeladen. Mein Freund Jürgen holte mich mit seinem klapprigen Volkswagen ab. Da es regnete und auch nicht besser zu werden versprach, hatte er, der eigentlich ein passionierter Radfahrer ist, sich dazu durchgerungen, mit dem Auto ins ehemalige US-Depot zu fahren, das am Gießener Stadtrand liegt. Von hier aus wurden einst die ganzen in Europa stationierten US-Streitkräfte mit Whiskey, Kaffee, Zigaretten, Stereoanlagen und Dosenfleisch versorgt. Da viele Gießener und auch Studenten dort als zivile Hilfskräfte arbeiteten, sickerten diese Güter ins Stadtgebiet ein und landeten auch in mancher Wohngemeinschaft. Das Depot war ein lokaler Niedriglohnsektor, lange bevor es diesen Begriff gab. Leute, die Geld brauchten, gingen morgens spontan hin und heuerten für ein paar Stunden oder einen Tag an. Arbeiterstrich hätte es wohl besser getroffen. Peter Kurzeck, der eine Zeit lang auch dort gearbeitet hatte, hat diese Schattenökonomie und die Rolle der GI‘s in der Stadt und ihrem Kneipen- und Rotlichtmilieu in seinem fulminanten Roman Vorabend beschrieben. Das US-Depot – die Gießener betonen das Wort Depot auf der ersten Silbe – wurde mit dem Abzug der US-Armee im Jahr 2007 geschlossen. … weiter
(Hinweis: Der Link führt seit Nummer 66 auf die eigene Seite der durchhalteprosa.de )

Clipart oben links von OpenClipart-Vectors auf Pixabay
Bild von Jim Black auf Pixabay 


Alle bisherigen Texte von Götz Eisenberg im GEW-MAGAZIN

 

Narziss und Nazis

von Götz Eisenberg

Die Lüge vom gestörten Einzeltäter und das Schweigen über die gesellschaftlichen Ursachen des Hasses. Zu den Taten von Hanau und Volkmarsen und dem »Faschismusbedarf« der Herrschenden

Die Halbwertszeit der Betroffenheit nach dem rassistischen Massaker von Hanau war erstaunlich kurz. Schon nach zehn Tagen hatte das Coronavirus die Tat des Tobias Rathjen aus den Schlagzeilen und Nachrichtensendungen verdrängt. Und die skandalöse Kollaboration von CDU und FDP mit der AfD in Thüringen gleich mit. Den politisch Verantwortlichen blieb es auf diese Weise erspart, aus ihren Lippenbekenntnissen unmittelbar nach der Tat Konsequenzen ziehen zu müssen.

Für einen Augenblick konnte man den Eindruck gewinnen, als wäre die Dringlichkeit eines entschiedenen Vorgehens gegen die Gewalt von rechts ins Bewusstsein gedrungen und als würde die ewige Gleichsetzung von rechter und linker Gewalt ein Ende finden. Bis dahin war nach solchen Ereignissen zu beobachten, wie Politiker sich vor den Kameras wanBild von Alexas_Fotos auf Pixabay den und darauf hinwiesen, man müsse dem Terror von links und rechts Einhalt gebieten, fast immer in dieser Reihenfolge und immer, ohne der einen Hälfte der Ankündigung irgendwelche konkreten Maßnahmen folgen zu lassen.

Nach den rechten Morden von Kassel, Halle und Hanau war einfach nicht mehr zu übersehen, dass die Bundesrepublik ein drastisches Problem mit dem Rechtsradikalismus und der von ihm ausgehenden Gewalt hat. … weiter


Bild von Alexas_Fotos auf Pixabay 
Der Text erschien zuerst am 11.3.2020 in der Tageszeitung „junge Welt„.