Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 94: Fieberkranke Identitäten

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 94

 

Fieberkranke Identitäten

„Die Leiche der Sowjetunion ist zum Leben erwacht und erschreckt als Zombie die Russen und die ganze Welt.“
(Wladimir Sorokin)

Für heute war mit großem Aplomb auch hier in Gießen eine gemeinsame Aktion von Fridays for Future und der Gewerkschaft Verdi für einen besser ausgestatteten Öffentlichen Nahverkehr und Umwelt- und Klimaschutz angekündigt. Wer gehofft hatte, die Mobilisierung von der großen Demonstration gegen Rechts von Ende Januar würde sich wiederholen, sah sich bitter enttäuscht. Das Großereignis war offenbar einmalig und ist nicht nicht wiederholbar. Es stahlt nicht auf andere Politikfelder ab und das punktuelle Engagement lässt sich nicht auf Dauer stellen. Als ich um 16 Uhr vor den Rathaus eintraf, wo die heutige Demo ihren Ausgang nehmen sollte, verloren sich vielleicht hundertfünfzig oder zweihundert Leute auf dem weiten Platz. Die Organisatoren kämpften noch mit der Technik. Als diese funktionierte, erklang laute Bumsmusik, ohne die nichts mehr zu gehen scheint. Es waren die versammelt, die immer dabei sind: die unvermeidlichen „Omas gegen Rechts“, die stadtbekannten Klima- und Verkehrswende-Aktivisten und ein paar junge Leute aus dem Umfeld von Fridays for Future. Zusätzlich einige altlinke Rentner wie ich, die etwas verloren herumstanden und darauf warteten, dass es endlich losgehen würde. Ich ersparte mir die Warterei, bestieg mein Rad und fuhr nach Hause. Mein lebensgeschichtliches Soll an Demonstrationen habe ich längst erfüllt. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 93: Grüne Sündenböcke

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 93

 

Grüne Sündenböcke

„Diese paranoide Realitätsverkennung bringt in der Tat eine rasche Spannungsentlastung. Was bisher ungreifbar und in einem selbst war, ist nun greifbar, sichtbar und draußen in der Welt. Indes ist mit solcher Entlastung immer Realitätsverkennung verknüpft.“
(Alexander Mitscherlich)

Es ist niederschmetternd zu sehen, wie die Neue Rechte sich linke Traditionen aneignet. Volker Weiß hat in seinem Buch „Die autoritäre Revolte“ bereits darauf hingewiesen, dass sie keine Hemmungen und Berührungsängste kennt und sich längst nicht mehr mehr nur aus dem Fundus der bekannten rechten Literatur bedient. Auch Antonio Gramsci, der von den italienischen Faschisten von 1929 bis 1935 eingekerkert wurde, wird in Dienst genommen und ausgeschlachtet. Er war neben Georg Lukács und Karl Korsch wohl der bedeutendste marxistische Denker der Zwischenkriegszeit und hat maßgeblich dazu beigetragen, den Marxismus aus seiner stalinistischen Erstarrung zu befreien. Der von dem Treffen im Landhaus Adlon bekannte Martin Sellner ist ein Verfechter einer von Gramsci beeinflussten Strategie der Eroberung der „kulturellen Hegemonie“. Gramsci war davon überzeugt: Die Macht erobere man vor allem durch Ideen, längst komme sie nicht mehr (nur) aus Gewehrläufen. Nur auf den ersten Blick habe sie ihren Sitz in den politischen Institutionen, sie habe sich verzweigt und sei molekular geworden. Sie habe von unseren Wünschen und Bedürfnissen Besitz ergriffen, sei bis in die Denk-, Gefühls- und Handlungsgewohnheiten vorgedrungen. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 87: Zum „Abhitlern“ ins „Teutonenhaus“

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 87

 

Zum „Abhitlern“ ins „Teutonenhaus“

„ … das Klingeln der Straßenbahn unter den Fenstern verwandelte sich im Traum in Glockengeläut, in das Geläut aller Glocken dieser Welt, die verkündeten, dass die Kriege endgültig zu Ende waren und die Erdkugel dem arbeitenden Volk gehörte.“
(Milan Kundera. Das Leben ist anderswo)

Wie lang werden wir dem Agonisieren dieser Regierung noch zuschauen müssen? Ihr Niedergang scheint unabwendbar, aber wer oder was könnte an ihre Stelle treten? Und wäre das eine echte Alternative? Was uns erwartet, ist ein längeres Siechtum, eine Variante des „Interregnums“, von dem bei Gramsci die Rede ist: Das Alte liegt im Sterben, das Neue ist noch nicht geboren. Es ist dies eine Periode, die voller Gefahren steckt. Es ist, heißt es bei Gramsci, eine Zeit der Monster und der sozialen Pathologien. Wir können von Glück sagen, dass die AfD noch nicht stark genug ist, um zum finalen Angriff auf die Macht zu blasen.
Von der Linken haben wir nichts zu erwarten, jedenfalls nicht von den beiden Varianten, die uns die sozialdemokratische und bolschewisierte Arbeiterbewegung hinterlassen hat. Hier haben wir es mit einer speziellen Variante eines Interregnums zu tun: das Alte liegt wie eine Endmoräne noch in der gegenwärtigen politischen Landschaft herum, das Neue blitzte hier und da mal auf, hatte aber noch keine Zeit, sich auszuformen und Gestalt anzunehmen und wurde bald vom Überkommenen wieder überwuchert. … weiter
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