GEW kritisiert Ministerpräsident in Diskussion um Petition zur Abschaffung der Exen

Statement des stellvertretenden Vorsitzenden der GEW Bayern zur derzeitigen Diskussion rund um die Petition zur Abschaffung von unangekündigten Abfragen und Exen:

So nicht, Herr Ministerpräsident!

Man stelle sich vor, eine Schülerin glaubt einen Missstand erkannt zu haben und setzt sich nun für die Behebung dieses Missstands ein. Sie informiert sich über die demokratischen Möglichkeiten der Mitbestimmung und startet eine Petition, denn gemäß Bayerischer Verfassung Artikel 115 hat jede*r Bewohner*in Bayerns das Recht, sich mit einer Bitte schriftlich an den Landtag zu wenden. Die Schülerin investiert viel Zeit, wendet sich an Verbände, Gewerkschaften, Eltern und Mitschüler*innen und schafft es in relativ kurzer Zeit, dass die Petition bekannt wird und viele Menschen das Anliegen unterstützen. Auch die zuständige Ministerin erfährt von der Petition und kündigt an, das Thema auf die Agenda zu setzen und diskutieren zu wollen.

Nun sollte man meinen, dass das ein perfektes Beispiel für gute Bildung ist. Mündigkeit, politisches Interesse, Eigenverantwortung, Demokratiefähigkeit, Begeisterung, Leidenschaft, Selbstbewusstsein, Kommunikationsfähigkeit – all das sind wichtige Bildungsziele, die mir da sofort einfallen. Man kann, ja muss in einer demokratischen Gesellschaft so ein Vorgehen nur loben, die Schülerin darin bestärken und als positives Beispiel hochhalten – so geht Demokratie, so geht Mitbestimmung. Diese Message benötigen junge Menschen heute, die laut Wählerstatistiken und Umfragen leider in großer Zahl der Propaganda von populistischen Scharfmacher*innen und Demokratiefeinden erliegen, sich der alternativen Realitäten auf Tiktok und Co. kaum noch erwehren können oder immer häufiger aufgeben, mit einem frustrierten „kann man eh nichts machen.“

Und dann kommt ein Ministerpräsident, und klopft das selbstherrlich und unbedacht wie ein Elefant im Porzellanladen kaputt, indem er, leider nicht zum ersten Mal, eines seiner unangebrachten „Machtwörter“ spricht. Knapp 20.000 Menschen haben diese Petition unterschrieben, aber er kündigt das Ergebnis bereits an. „NEIN“, sagt er, mit einer inhaltlich lächerlich knappen Begründung – all die wissenschaftlich belegten Argumente der Gegenposition, die ihm parteipolitisch nicht passt, tut er in einem herablassenden Nebensatz als „seltsame Ansicht“ ab und beschädigt damit so vieles, wofür sich die Menschen, die sich hier auf den Weg gemacht haben, einsetzen. Seiner fachlich zuständigen Ministerin fährt er wiederholt in die Parade und mischt sich in einen Kompetenzbereich ein, für den ihm offensichtlich die Kompetenzen fehlen.

Was sonst außer Verdrossenheit, Frustration, Verlust von Vertrauen in demokratische Strukturen und „kann man eh nichts machen“ wird so ein „Machtwort“ bewirken, das die Artikel 51 und 115 der Bayerischen Verfassung konterkariert?

Als Lehrer, Pädagoge und überzeugter Demokrat schlage ich die Hände über dem Kopf zusammen ob dieses unsäglichen Verhaltens gegenüber einer 17jährigen Schülerin, die sich mit Gleichgesinnten auf den Weg gemacht hat, ein gemeinsames Interesse in den demokratischen Prozess einzubringen. So kann man als demokratisch gesinnter Ministerpräsident nicht agieren, das ist dieses Amtes unwürdig, und der bereits erfolgte klare Widerspruch der Eltern kam nicht von ungefähr.

Als Pädagoge erwarte ich eine Entschuldigung bei den betroffenen Schüler*innen, die Zusage, dass diese Petition natürlich ihren ihr zugedachten demokratischen Weg gehen wird und auch die entsprechend angemessenen Diskussionen im Landtag, in den Ausschüssen und im zuständigen Ministerium erfolgen werden.

P.S.: Vielleicht hat es der Leser gemerkt. Es ging hier in keinem Satz um die Inhalte dieser Petition, das Pro und Contra, die derzeit laufende Diskussion. Die kann man natürlich führen, aber dann bitte auch auf Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse und nicht mit Argumenten wie „wir sind ja auch groß geworden“ – auch das ist eines Ministerpräsidenten unwürdig.

Florian Kohl
Stv. Vorsitzender GEW Bayern


25.9.2024
GEW Bayern
www.gew-bayern.de

 

Wie eine unpolitische Bürgerschaft reaktionären Kräften Räume überlässt

Bericht: TU Chemnitz

Forschungsteam der TU Chemnitz und Universität der Bundeswehr in München veröffentlichte ethnografische Studie über Hintergründe der rassistischen Ausschreitungen Ende August 2018 in Chemnitz und gibt Perspektiven auf den Themenkomplex „Demokratie und Stadtgesellschaft“

Am 26. August 2018 und den Tagen danach kommt es aufgrund der Tötung von Daniel H. durch einen Asylbewerber am Rande des Chemnitzer Stadtfestes zu Aufmärschen Rechtsradikaler sowie Populistinnen und Populisten in Chemnitz. Das Geschehen vor Ort bestimmt in der folgenden Zeit die nationale und internationale Presse. „Die Ereignisse vom August 2018 in Chemnitz weisen in ihrer gesellschaftlichen und politischen Bedeutung weit über sich hinaus und bieten Einblicke in eine sogenannte Risikodemokratie“, sagt Prof. Dr. Henning Laux, Inhaber der Professur für Soziologische Theorien an der Technischen Universität Chemnitz. … weiter


Quelle: www.tu-chemnitz.de

 

„Berufsverbote-Opfer endlich rehabilitieren!“

Bildungsgewerkschaft GEW zu „50 Jahre Radikalenerlass“

Frankfurt a.M. – Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) erwartet von den Verantwortlichen in Bund und Ländern die politische und materielle Rehabilitierung der Menschen, die der am 28. Januar 1972 von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und den Länder-Regierungschefs beschlossene „Radikalenerlass“ getroffen hat. Zudem sei eine nachhaltige, wissenschaftlich fundierte Aufklärungsarbeit über diese Zeit und die Folgen des so genannten „Extremistenbeschlusses“ dringend notwendig. „Der ‚Radikalenerlass‘ hat individuelle Grundrechte der Betroffenen verletzt. Bewerberinnen und Bewerber für den öffentlichen Dienst, darunter zahlreiche linke Lehrkräfte, sind teils kollektiv diffamiert und verfolgt worden. So wurden vielen Menschen Berufs- und Lebensperspektiven genommen und das Vertrauen in die Demokratie sowie in den Rechtsstaat massiv beschädigt“, betonte GEW-Vorsitzende Maike Finnern heute in Frankfurt am Main mit Blick auf den 50. Jahrestag des „Radikalenerlasses“ am Freitag. Deshalb unterstütze die Bildungsgewerkschaft die Anliegen der Betroffenen, die Wiedergutmachung fordern. „Die Betroffenen erwarten für das Unrecht, das sie erleben mussten, zu Recht eine Entschuldigung und eine finanzielle Entschädigung.“ Weiterlesen

Defizite in Schulen und Medien verantwortlich für geringes politisches Wissen

Bericht: FernUniversität in Hagen

Politisches Wissen hat großen Einfluss auf die Qualität einer Demokratie. Das sieht man aktuell und bei vielen historischen Ereignissen, von denen einige an einem 9. November ihren Anfang nahmen oder einen Höhepunkt hatten. Dr. Markus Tausendpfund von der FernUniversität hat mit einer Kollegin den ALLBUS 2018 ausgewertet.

Sein Fazit: Das politische Wissen in Deutschland ist insgesamt auf einem eher geringen Niveau, aber je nach sozialen Gruppen sehr unterschiedlich. Dabei spielen Defizite im Politikunterricht und die Medienlandschaft wichtige Rollen. Zum politischen Wissen in Deutschland haben Tausendpfund und Prof. Dr. Bettina Westle (Marburg) gerade ein Buch herausgegeben. … weiter


Quelle: www.fernuni-hagen.de | www.idw-online.de