Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 43: Von der Anstrengung, auf der Höhe seines Zorns zu leben

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 43
Von der Anstrengung, auf der Höhe seines Zorns zu leben
„Kränkungen sollten in den Sand geschrieben werden,
anerkennende Worte als Inschrift auf Marmor.“
(John Berger)
Es geht mir schlecht heute, oder zumindest nicht gut. Nicht wegen der dritten Impfung, die ich letzten Freitag bekommen habe. Die hat mir einen Tag Kopfschmerzen beschert, sonst war da nichts. Nein, ich habe in letzter Zeit mehr und mehr das Gefühl, an einem Mangel an Alternativen zu ersticken. Die Wege zu einer vernünftigen Einrichtung der Gesellschaft erscheinen verrammelt und vernagelt. Ich leide am Scheitern unserer politischen Bemühungen und dem Verlust der öffentlichen Dimension meiner Existenz. Nächstes Jahr muss ich meine Versuche intensivieren, wieder mal Diskussionszusammenhänge herzustellen. Im Alter wächst die Gefahr der Entgesellschaftung und Vereinsamung. … weiter
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Noch immer ist strahlendes Frühlingswetter. Ich fahre mit dem Rad aus der Stadt heraus. Ich raste auf einer Bank. Im Gebüsch hinter der Bank singt eine Nachtigall, deren Repertoire unglaublich variantenreich ist und die das Leben bejubelt. Ich lausche ihr eine Weile. Eine Dame, die ihren Hund spazieren führt, redet auf mich ein. Die Leute haben unter der Kontaktsperre einen großen Redebedarf. Dann fahre ich weiter. Auf den weiten Feldern vor dem Kinzenbacher Forst stehen Feldlerchen in der klaren Luft und lassen ihr Trillern erklingen. Zwischendurch führen sie übermütig ihre Flugkünste vor. Ihre flatternd aufgefangenen Sturzflüge sind Teil der Balz. Über all diesen Vogelbeobachtungen liegt ein melancholisches Noch: Noch gibt es sie; wer weiß, wie lange noch? …