Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 29: Kindesmissachtung 2.O

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 29

 

Kindesmissachtung 2.O

„Wenn wir nicht einfach in den Tag hinein leben, sondern uns unserer Existenz bewusst sein wollen, ist es unsere größte und zugleich schwerste Aufgabe, in unserem Leben einen Sinn zu finden.“
(Bruno Bettelheim)

Fast jedes Mal, wenn ich die Hängebrücke über die Lahn überquere, sehe ich junge Frauen oder Mädchen, die dort über dem Fluss ein Fotoshooting veranstalten. Sie treffen sich dort, um ein Posing für ihr Instagram- oder TikTok-Profil zu veranstalten. Sie sind meist total aufgebrezelt und aufwendig und grell geschminkt. Die Münder durch Lippenstift überdimensional groß, die Augen von künstlichen Wimpern überdacht. Die Posen, die sie einnehmen, wirken einstudiert, oft ziemlich lasziv. Der Kopf muss in eine bestimmte Haltung gebracht werden, die Haare werden in den Nacken oder über die Augen geworfen. Anleitungen, wie man ein Posing durchzuführen hat, findet man im Netz. Die Kids wirken wie Abziehbilder oder Klone ihrer Vorbilder, die sie Influencer nennen. Viele haben den Traum, selbst Influencerin zu werden, damit Geld zu verdienen und Zugang zu finden zu einer Welt des Luxus‘ und der Mühelosigkeit. … weiter

Clipart oben links von OpenClipart-Vectors auf Pixabay
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Götz Eisenbergs Corona-Tagebuch 30: Meine Durchhalteprosa

Tagebuch

 

Götz Eisenbergs Corona-Tagebuch 30

Meine Durchhalteprosa

Die sich anschicken, der barbarischen
Vorgeschichte der Menschheit ein Ende zu bereiten,
sind selbst Menschen dieser Vorgeschichte.
Sie gehen in den Kampf gegen Götzen
mit der Seele von Götzendienern.“
(Manès Sperber)

Ich denke im Moment, dass ich das Corona-Tagebuch langsam ausklingen lasse. Seit Mitte März, als Frau Merkel die Ausgangsbeschränkungen verkündete, schreibe ich unentwegt. Durchhalteprosa nenne ich für mich diese Form des Schreibens, ohne die ich es nicht aushalten könnte. Schreibend versuche ich, mir den ganzen Wahnsinn ein wenig vom Hals zu halten. Ich kann ja später auf das Tagebuch zurückkommen, falls die von Experten befürchtete zweite Welle über uns hereinbricht. Im Moment lassen die Leute alle Rücksichtnahmen fahren und verhalten sich, als wäre nichts gewesen.

Von vielen Seiten höre ich, dass im Augenblick Freundschaften über die Frage zerbrechen, wie man es mit Corona hält. Die einen tragen Masken und achten auf Abstand, die anderen lachen darüber und fordern einen auf: „Mach dich mal locker!“ Die Süddeutsche Zeitung schreibt: „Es gibt jetzt eine neue Konfliktlinie: auf der einen Seite die Hab-dich-nicht-so, auf der anderen die Spießer. Winken gegen umarmen. Team Bussi-Bussi gegen Team Einsfünfzig.“ Ich halte es mit Feridun Zaimoglu, der gesagt hat: „Leute wie ich gelten als Spaßverderber, aber Lebenslust ist das eine, Dämlichkeit ist das andere.“ … weiter

Tagebuch oben links: Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay
Bild rechts von Omni Matryx auf Pixabay 


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