Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 70
Statistiken bluten nicht
»Der Mensch wird – in dieser Gesellschaft – überflüssig, vorher schwinden seine Fähigkeiten.«
(Max Horkheimer)
Gestern fand an der Ausgrabungsstätte der Alten Synagoge eine Art Führung statt, die vom Stadtarchäologen durchgeführt wurde. Am Sonntagvormittag versammelten sich circa 100 Gießener Bürger rund um die Grube, in der die Grundmauern des 1938 niedergebrannten jüdischen Gotteshauses freigelegt worden sind. Das Wetter passte zum Ort und zum Anlass. Es war kalt, windig und regnerisch. Frierend standen die Menschen um die Grube. Gruben haben immer etwas Gruseliges und diese hier ganz besonders. Auch dann, wenn keine Gebeine zum Vorschein gekommen waren, war es doch wie auf dem Appellplatz von Buchenwald. Was freigelegt und ans Licht geholt wurde, ist ein Teil der verdrängten deutschen Geschichte. Ob wir wollen oder nicht, geht uns das etwas an, auch wenn viele glauben, dass sie sich davon losreißen können. Da der Stadtarchäologe kaum zu verstehen und das, was er zeigen wollten, von etwas weiter weg nicht zu sehen war, Wetter und Ort zum Frösteln waren, wohnte ich der Veranstaltung nicht bis zum Ende bei, sondern trollte mich nach einer Weile. Ich floh ins Warme. Jedenfalls äußerlich. … weiter
(Hinweis: Der Link führt seit Nummer 66 auf die eigene Seite der durchhalteprosa.de )
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