Einigung auf die europäische Asylrechtsreform: Lagerhaft statt Kindeswohl

 Mitteilung: terre des hommes

Die internationale Kinderrechtsorganisation terre des hommes ist entsetzt über die heute zwischen dem Rat der europäischen Justiz- und Innenminister*innen, der EU-Kommission und dem Europäischen Parlament getroffene Einigung auf eine Reform zum gemeinsamen europäischen Asylsystem. Die Grenzverfahren bei Minderjährigen, die massive Ausweitung des Konzepts der sicheren Drittstaaten und die Absenkung essenzieller Verfahrensgarantien schaffen die Grundlage für den Ausverkauf allgemeingültiger Kinderrechte in der EU und damit das Ende des europäischen Wertesystems.

»Mit der heute verkündeten Einigung sind jegliche menschenrechtliche rote Linien in der EU überschritten. In Brüssel wurde dabei auch über das Schicksal hunderttausender vor Verfolgung und Krieg geflüchteter Kinder und Jugendlicher entschieden. Vielen der Kinder und Jugendlichen droht nun ein Leben hinter Stacheldraht in isolierten Haftzentren, Machtlosigkeit gegenüber behördlichen Entscheidungen und die Gefahr von Rückführungen in Länder, die für sie in der Realität nicht sicher sind. Besonders schockierend ist, dass es keinerlei Ausnahmen vom Grenzverfahren für Familien mit Kindern jeglichen Alters geben wird. Grenzverfahren unter Haft oder haftähnlichen Bedingungen sind und bleiben höchst kinderrechtswidrig. Doch dass Kinder Rechte haben, scheint in der EU keine Rolle mehr zu spielen. Wir sind enttäuscht und fassungslos, dass die Bundesregierung und die EU diesen historischen Bruch mit den Kinderrechten und damit die Abkehr von Menschlichkeit in der EU mitträgt«, sagt Sophia Eckert, Migrations- und Rechtsexpertin bei terre des hommes.

Nach den terre des hommes bekannten Reformvorschlägen sind auch geflüchtete Kinder und Jugendliche von Grenzverfahren unter Haft oder haftähnlicher Unterbringung an den EU-Außengrenzen ohne Ausnahme betroffen. Dies verstößt gegen das in der UN-Kinderrechtskonvention verankerte Recht auf Schutz vor Freiheitsentzug. Zudem werden ihre Möglichkeiten eingeschränkt, sich wirksam gegen Entscheidungen von Behörden zu wehren. Ohne effektiven Rechtsschutz und kindgerechte Verfahrensbegleitung können die Rechte und das Wohl von flüchtenden Kindern in der EU nicht gewahrt werden. Auch mit der Erweiterung des Konzepts der sogenannten sicheren Drittstaaten drohen massive Auswirkungen auf den Schutz von Asylsuchenden in der EU.


20.12.2023
terre des hommes
www.tdh.de

 

EU-Asylreform: Paritätischer zeigt sich entsetzt über Verschärfungen im Asylrecht

Mitteilung: Der Paritätische

Heute Nacht haben sich die Europäische Kommission, der EU-Rat sowie das Europäische Parlament auf eine Europäische Asylrechtsreform geeinigt, mit der Menschenrechtsverletzungen an den EU-Außengrenzen zur Regel würden.

Mit Entsetzen reagiert der Paritätische Wohlfahrtsverband auf den Kompromiss für ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS), auf den sich die EU-Institutionen in der vergangenen Nacht geeinigt haben. Dass der Kompromiss bei den asylrechtlichen Verschärfungen nicht einmal Ausnahmen für Kinder und ihre Familien vorsieht, sei durch nichts zu rechtfertigen. Der Paritätische appelliert an die Bundesregierung, sich dem zunehmenden Rechtsruck in der EU entgegenzustellen.

Nach Auffassung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sei in der letzten Nacht ein tief inhumaner Asylkompromiss geschlossen worden, mit dem Europa weiter nach rechts rücke. „Menschenrechtsfeindliche Haftlager und der Freiheitsentzug Schutzsuchender während des Asylverfahrens drohen mit dieser Reform zur Normalität zu werden. Dass nicht einmal Kinder und ihre Familien geschützt werden, ist schockierend“, kritisiert Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. „Wir appellieren eindringlich an die Bundesregierung, sich dem zunehmenden Rechtsruck in der EU entgegenzustellen. Der weiteren Abschottung der EU und der weiteren Auslagerung des Flüchtlingsschutzes muss Einhalt geboten werden.“ Es sei entgegen dem Kompromiss Aufgabe der Bundesregierung, sich für die Einhaltung der geltenden Menschenrechte und eine menschenwürdige Aufnahme von Flüchtlingen in der EU einzusetzen. 


20.12.2023
Der Paritätische Gesamtverband
der-paritaetische.de

 

EU: Einigung auf Asylrechtsreform ist menschenrechtlicher Dammbruch

Mitteilung: Amnesty International

Am 20.12.2023 haben EU-Rat und Europaparlament zu allen Verordnungsentwürfen der Asylrechtsreform eine politische Einigung erzielt. Die geplante Reform ist menschenrechtswidrig und wird zu mehr Leid, mehr Pushbacks und mehr Gewalt an den EU-Außengrenzen führen. Sie wird bestehende Herausforderungen nicht lösen, sondern verschärfen.

Die Asylrechtsreform der EU beinhaltet unter anderem die Absenkung von menschenrechtlichen Standards im Falle einer „Instrumentalisierung“. Die Ausnahmemöglichkeiten betreffen alle Schutzsuchenden: Ohne Ausnahmen für Kinder, Familien oder andere vulnerable Gruppen. Eine „Instrumentalisierung“ soll auch durch nicht-staatliche Akteure möglich sein, was einer Kriminalisierung humanitärer Hilfe den Weg bereiten könnte. Weiterlesen

Selektive Solidarität: Wovon Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen abhängt

Bericht: Sachverständigenrat für Integration und Migration (SVR)

Die Bereitschaft, Flüchtlinge in Deutschland zu unterstützen, ist grundsätzlich groß. Manche Flüchtlinge erfahren jedoch mehr Solidarität als andere, auch wenn die Unterschiede insgesamt betrachtet eher gering ausfallen. Merkmale wie Herkunft, Geschlecht, Religion oder Bildungsniveau der Flüchtlinge sind bedeutsam für das Maß an Hilfsbereitschaft, das ihnen die Bevölkerung entgegenbringt. Auch die politische Orientierung der Befragten und ihr Vertrauen in Institutionen wirkt sich auf ihre Aufnahmebereitschaft aus.

Eine im Frühjahr durchgeführte Befragung im Rahmen eines Forschungsprojekts des wissenschaftlichen Stabs des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR) zeigt, dass die Bevölkerung in Deutschland ganz überwiegend solidarisch mit Flüchtlingen ist und ihnen gegenüber dementsprechend hilfsbereit. Drei von vier der über 4.000 Befragten würden spenden; zwei Drittel würden Flüchtlinge zu Behörden begleiten; knapp ein Drittel würde Flüchtlinge zuhause aufnehmen. Allerdings erfahren nicht alle das gleiche Maß an Solidarität und Hilfsbereitschaft: … weiter

Policy-Brief direkt als pdf-Datei downloaden


Quelle:
www.idw-online.de
www.svr-migration.de
Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

 

Der Ukrainekrieg und die Kehrtwende der deutschen Flüchtlingspolitik

von Frank Bernhardt

„The world will change now!“ meldete Reuters einen Tag nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine. Und vom ersten Tage an sah sich die ganze „freie Welt“ mit angegriffen und ergriff Partei; Massendemonstrationen, auch nach Gewerkschaftsaufrufen, liefen unter dem Motto: „#StandWithUkraine“ – eine Linie, die mittlerweile verpflichtenden Charakter hat, von den Medien bis in den Schulunterricht.

Zu diesem Change sollen im Folgenden einige Überlegungen beigesteuert werden. Zum einen im Blick darauf, was dieser militärische Konflikt an der globalen Sicherheitslage geändert oder bestätigt hat; zum andern mit Ausführungen zur neuen Flüchtlingspolitik in Deutschland, hier vor allem gestützt auf die Expertise von Freerk Huisken, der sich seit langen Jahren mit dem Thema beschäftigt. … weiter


Bild von Bonnie Ferrante auf Pixabay

Alle bisherigen Text von Frank Bernhardt im GEWerkschaftsMAGAZIN

 

Fast 37 Millionen Kinder weltweit auf der Flucht

Bericht: Unicef

Nach Schätzungen von UNICEF waren Ende 2021 weltweit 36,5 Millionen Kinder durch Konflikte, Gewalt und andere Krisen aus ihrer Heimat vertrieben – die höchste Zahl seit dem Zweiten Weltkrieg. Diese Zahl umfasst 13,7 Millionen geflüchtete und asylsuchende Kinder und fast 22,8 Millionen Kinder, die aufgrund von Konflikten und Gewalt im Inland vertrieben wurden. Weiterlesen

Arbeitsmarktzahlen: Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt fördern

Mitteilung: DGB

Zu den aktuellen Arbeitsmarktzahlen sagte Anja Piel, DGB-Vorstandsmitglied, am Donnerstag in Berlin:

„Auf die Bundesagentur für Arbeit kommen neben den noch anhaltenden Pandemiebedingungen neue Herausforderungen zu: Die Menschen, die sich aus der humanitären Katastrophe durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine nach Deutschland gerettet haben, bedürfen nicht nur Hilfe und Unterstützung bei Ankommen und Unterkunft, sie sind allesamt durch die Schrecken des Krieges schwer traumatisiert und brauchen auch dafür Angebote zur Unterstützung. Weiterlesen

Aufrüstung beendet keine Kriegsgefahr

Investitionen in regenerative Energien statt in Waffen nötig / Deutschland und EU müssen alle Geflüchteten aufnehmen

Bericht: attac

Angesichts des völker- und menschenrechtswidrigen Angriffskriegs der russischen Armee gegen die Ukraine warnt das globalisierungskritische Netzwerk Attac vor einer weiteren Aufrüstung und dem Wiedereinstieg in die Rüstungsspirale des Kalten Krieges. „Die existierende militärische Überlegenheit der Nato hat den russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht an diesem verbrecherischen Überfall auf die Ukraine gehindert. Eine 180-Grad-Wende, wie sie Außenministerin Annalena Baerbock angekündigt hat, wirkt nicht abschreckend und hätte lediglich einen neuen Rüstungswettlauf zur Folge“, stellt Achim Heier vom bundesweiten Attac-Koordinierungskreis fest. Weiterlesen

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