Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 15: „Ich traue beiden nicht…“

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 15

„Ich traue beiden nicht … „

Wegen der Pandemie fand die Einführungswoche der Universität für die neuen Studierenden weitgehend virtuell statt. Dennoch sah man vereinzelt kleine Grüppchen durch die Stadt ziehen. Vor ein paar Tagen stand eine Gruppe von sogenannten „Erstis“ um die „Schwätzer“ herum. Eine ältere Studentin, die als Mentorin fungierte, erzählte etwas über den Seltersweg und die Geschichte der Bronzeskulptur. Neun der zehn jungen Leute waren mit ihren Smartphones beschäftigt, stellten sich in Pose und machten Selfies. Ich fragte mich, warum sich die Mentorin das gefallen ließ und die Veranstaltung nicht abbrach oder sich den Gebrauch der Handys während der Veranstaltung verbat.

So stand sie da wie eine Predigerin in der digitalen Wüste – auf verlorenem Posten. Inzwischen scheinen die Lehrenden angesichts der Omnipräsenz dieser Geräte kapituliert und sich damit abgefunden zu haben, die Aufmerksamkeit mit ihnen zu teilen oder sich mit den Brosamen zu begnügen, die vom digitalen Tisch fallen. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 9: Vom Agonisieren und Verunfallen

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 9

Vom Agonisieren und Verunfallen

„Es ist schade, dass man dann sterben muss,
wenn man eben angefangen hat einzusehen,
wie man eigentlich hätte leben sollen.“
(Theophrastos von Eresos)

Herbstzeitlose

Die neue Woche beginnt mit beinahe schon herbstlicher Kühle. Zum ersten Mal seit Langem habe ich keine Lust, vor dem Frühstück zur Lahn zu radeln und zu schwimmen. Noch ist hoffentlich nicht aller Sommertage Ende. Mit Schrecken sehe ich die Tage kürzer und die Nächte länger werden.

Denn die Nacht ist das Territorium der Angst. Aus welchen Tiefen meiner Seele steigt bloß diese elende Angst auf, die mich seit einiger Zeit und nun immer öfter befällt? Es gab Jahre, da kannte ich das nicht. Vielleicht verhält sich das Alter spiegelbildlich zur Kindheit, denn meine Kindheit war angefüllt mit Angst. Kehrt die nun im Alter wieder? Ist es dieselbe Angst oder ist sie heute anders zusammengesetzt? … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 8: Wandervögel am Edersee

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 8

Wandervögel am Edersee

»Wo gehn wir denn hin?«
»Immer nach Hause.«
(Novalis)

Wir gehen spazieren, wo vor vier Wochen noch der Edersee gewesen ist. Sein Wasser wird im Sommer stufenweise abgelassen, um die Weser schiffbar zu halten. Dafür wurde der Stausee 1914 angelegt, und so ist es bis heute geblieben. Wo vor Wochen noch Wasser gewesen ist, ist eine Art Sahelzone entstanden. Der Schlamm am Grund des Sees ist getrocknet und aufgerissen. Es riecht modrig und wimmelt von Insekten. Wir suchen nach einer Stelle in der Eder, wo ich vor ein paar Jahren geschwommen bin. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 6: Vom Schwimmen im Fluss

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 6

Vom Schwimmen im Fluss

„Ich bin siebzehn oder achtzehn oder zwanzig Jahre und weiß,
dass der Mensch einsam ist in seinem Leben.“
(Monika Maron)

Was gibt es Schöneres als an einem warmen Sommermorgen im Fluss zu schwimmen? Die letzte Nacht habe ich schlecht und unruhig geschlafen. Wenn ich in einem Schreibprozess stecke, kann ich oft mit dem Denken nicht aufhören. Und das muss man, wenn man Schlaf finden möchte.
Und natürlich hatte ich Angst. Die ganze Zeit habe ich Angst. Ab ovo sozusagen. Deswegen verwende ich das Wort natürlich. Das soll nicht heißen, von Natur aus. Die Angst ist ein Kulturprodukt, in diesem Fall ein Familienprodukt. Das macht es aber nicht besser. Das Wissen um ihren Ursprung hat sie leider nicht zum Verschwinden gebracht. Ich habe gelernt, mich mit ihr ins Benehmen zu setzen. Auch mit der Einsamkeit, die aus ihr hervorwächst und mit ihr einhergeht. … weiter

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Götz Eisenbergs Corona-Tagebuch 31: Die „Seuche der Anywheres“

Tagebuch

 

Götz Eisenbergs Corona-Tagebuch 31

Die „Seuche der Anywheres“

„Vor ungefähr hundertfünfzig Jahren wusste
fast jeder in der Welt, dass er sein Leben
an dem Ort seiner Geburt oder zumindest in der Nähe,
vielleicht im nächsten Dorf, verbringen würde.
Jeder wusste, dass er sich seinen Lebensunterhalt
auf die gleiche Weise verdienen würde wie seine Eltern.“
(Amos Oz)

Wir waren über den Himmelfahrtsfeiertag für ein paar Tage im nordhessischen Kellerwald und sind viel umhergegangen. Rotmilane kreisten über uns, es duftete nach Harz und Holunderblüten. Die Idylle wurde dadurch getrübt, dass viele Fichten grau-braun sind und nach zwei trockenen Sommern absterben. Corona ist dort etwas ganz Abstraktes. Man hört davon, dass Leute sich infizieren und im Extremfall auch daran sterben, aber das ist weit weg und geschieht anderswo.

Die gegen das Virus erlassenen Maßnahmen werden als Oktroi erlebt, wie Erlasse einer fremden Zentral- und Kolonialmacht. Die Maske gilt als Symbol der „Corona-Diktatur“ und wird nur getragen, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Ein verqueres Würdebedürfnis und der Stolz wehren sich gegen die Masken, die zu tragen als Geste der Unterwerfung gilt. Wie ein Eingeborener, der sich einen Schlips umbindet, um sich bei seinen Herren anzubiedern. Wie Donald Trump glauben viele Einheimische, dass das Virus einem chinesischen Labor entsprungen ist und von der kommunistischen Führung auf den Westen losgelassen wurde, „um uns zu schwächen, bis sie alles übernehmen können“. Die Kluft zwischen Stadt und Land ist auch in puncto Corona spürbar. Corona – das haben die Leute in der Stadt. Es ist eine Folge von deren unsteter Lebensweise, die Konsequenz ihrer Hypermobilität.weiter

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Wie Religion Menschen trennt und verbindet

Erste Ergebnisse aus deutsch-schweizerischem Forschungsprojekt zu „religiöser Identität“

Mitteilung: Uni Leipzig

Die Themen Religion und religiöse Identität haben in der öffentlichen Debatte an Sichtbarkeit und Relevanz gewonnen, trotz des kontinuierlichen Prozesses der Säkularisierung. Über den Umgang mit religiösen Zugehörigkeiten, insbesondere mit dem Islam, herrscht vielerorts Verunsicherung.

Ein deutsch-schweizerisches Forschungsprojekt unter Führung der Universitäten Leipzig und Luzern hat nun eine repräsentative Bevölkerungsumfrage durchgeführt, um der Frage nachzugehen, ob Religion für die eigene Identität wichtig ist und ob sie Menschen trennt oder miteinander verbindet. Die heute veröffentlichten Ergebnisse zeigen: Ihre religiöse Identität ist einer Mehrzahl der Deutschen und der Hälfte der Schweizer wichtig. Sie kann eine immense gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Bedeutung haben. … weiter


Quelle: www.uni-leipzig.de