(Ver)Querdenken

 

Ein Kommentar von Hans Albert

„Glasauge“, das online-Satiremagazin der WELT, vermeldete am 10. November 2020, also rund sieben Wochen, bevor der erste Corona-Impfstoff in der EU zugelassen wurde, dass die Teilnehmer der „Querdenken“-Demonstrationen als erste gegen die Pandemie geimpft werden sollten. Die Polizei werde mit speziellen Blasrohren ausgestattet, um die dicht beieinander stehenden Demonstranten mit kleinen Impf-Pfeilen zu beschießen. Und für Notfälle sollten mit dem Corona-Vakzin befüllte Wasserwerfer als Impfduschen bereitstehen. Weiterlesen

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 25: Tage der Kommune

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 25

 

Tage der Kommune

„Für den Revolutionär ist die Welt schon immer reif gewesen. Was im Rückblick als Vorstufe, als unreife Verhältnisse erscheint, galt ihm einmal als letzte Chance der Veränderung. Er ist mit den Verzweifelten, die ein Urteil zum Richtplatz schickt, nicht mit denen, die Zeit haben.“
(Max Horkheimer)

Beim Blättern in der Literaturbeilage der FAZ vom Samstag, dem 13. März, stieß ich auf das Portrait einer Frau, das mich sofort gefangen nahm. Die abgebildete Frau trägt ein schlichtes Kleid mit langen Ärmeln, das bis zum Hals zugeknöpft ist. Da es sich um eine Schwarzweißfotografie handelt, kann man nicht wissen, welche Farbe das Kleid hat. Wahrscheinlich ist es blau oder grau. Die Frau sitzt sehr gerade auf einem hölzernen Stuhl und blickt ernst in die Kamera. Sie dürfte ungefähr fünfunddreißig Jahre alt sein, hat sich aber etwas Jugendliches, fast Kindliches bewahrt. Ihr Haar ist ein wenig schütter und strähnig und in der Mitte gescheitelt. Es fällt ihr bis auf die Schultern. Sie hat es für die Fotografie nicht nicht eigens hergerichtet. Ihr Äußeres scheint ihr nicht so wichtig. Sie hält die Arme vor dem Bauch gekreuzt, der linke Ellenbogen ruht in ihrer rechten Hand. Was den Betrachter in Bann schlägt, sind ihre Augen, die wach, lebendig und offen auf den Fotografen und nun auf den Betrachter des Fotos gerichtet sind. Die Frau auf dem Bild strahlt eine enorme Würde aus. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 21: Eigentum tötet – Die private Verfügung über lebensrettende Medikamente ist strukturelle Gewalt

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 21

Eigentum tötet – Die private Verfügung über lebensrettende Medikamente ist strukturelle Gewalt

„Du hast Recht, die Revolution ist für den Augenblick in ihr Bett zurückgetreten, wir fallen in die Periode der Evolution zurück, das heißt in die der unterirdischen, unsichtbaren und oft unfühlbaren Revolution. …
Ich stimme mit dir überein zu sagen, dass die Stunde der Revolution vorüber ist, nicht wegen des schrecklichen Unheils, dessen Zeugen wir waren, und der furchtbaren Niederlagen, deren mehr oder weniger schuldige Opfer wir waren, sondern weil ich zu meiner großen Verzweiflung konstatiert habe und täglich von neuem konstatiere, dass der revolutionäre Gedanke, die revolutionäre Hoffnung und Leidenschaft in den Massen sich absolut nicht vorfinden, und wenn sie fehlen, kann man sich  die größte Mühe geben, man wird nichts ausrichten …“
(Michail Bakunin 1875 in einem Brief an Élisée Reclus)

Joe Biden ist seit gestern Präsident. Man freut sich – nicht so sehr über ihn, der eine blasse und ein wenig leblose Figur ist -, sondern darüber, dass sein Vorgänger das Weiße Haus geräumt hat. Wie erwartet hat Trump nicht die Souveränität aufgebracht, an der Amtseinführung seines Nachfolgers teilzunehmen. Er floh nach Florida, wo er von einer Schar seiner Gefolgsleute empfangen wurde. Von dort aus wird er seine Wiederkehr im Jahr 2024 betreiben. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 20: „Die soziale Revolution ist keine Parteisache!“

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 20


„Die soziale Revolution ist keine Parteisache!“

Erinnerung: der Raum, in dem etwas
zum zweiten Mal geschieht.“
(Paul Auster)

Safranskis Hölderlin-Biographie habe ich entnommen, dass sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Zahl derer, die lesen konnten, verdoppelte. Zukünftige Historiker werden feststellen, dass sich diese Fähigkeit in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts im Zuge der Digitalisierung wieder zurückbildete.

***

Da, wo vor Kurzem noch Dr. Wodarg auf dem Pflaster stand, steht heute Prof. Ruppert. Die Corona-Leugner treiben eine neue Sau durchs Dorf. Aber es muss natürlich eine akademische Sau sein, mit Titel. Die Respektabilitätskechtschaft ist bei ihnen genauso ausgeprägt wie beim Rest der Bevölkerung. Erfrischend anarchisch dagegen Oscar Wilde, der sinngemäß sagte: Mit den Titeln ist es wie mit den Hämorrhoiden: Irgendwann bekommt sie jedes Arschloch!
In Zürich sah ich mal, dass jemand über die Schilder mit den Berufen, Funkionen und akademischen Graden der Mieter, die neben der Haustür angebracht waren, ein dickes, rotes Na und? gesprüht hatte. Der Anarchismus will die Herren abschaffen, die rebellierenden Staatswichtel sehnen sich nach neuen. … weiter

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Corona-Protestbewegung steht dem etablierten politischen System fern

Bericht: Universität Basel

Aus der Mittelschicht, eher älter und akademisch gebildet – das sind die typischen Merkmale der Angehörigen der Protestbewegung gegen die Coronamaßnahmen in Deutschland und der Schweiz. Die Gegner sind in sich heterogen, aber nach rechts offen und vom politischen System stark entfremdet. Dies sind vorläufige Ergebnisse eines empirischen soziologischen Forschungsprojekts an der Universität Basel, das sich auf die Auswertung von über 1150 Fragebögen stützt.

In den europäischen Gesellschaften sind über den richtigen Umgang mit der Coronakrise politische Konflikte entstanden. Eine Minderheit der Bürger und Bürgerinnen zweifelt an der Angemessenheit der Freiheitsbeschränkungen zur Eindämmung der Pandemie. Vor allem das verordnete Tragen von Masken und die Einhaltung von Sicherheitsabständen werden in der Bewegung der Kritiker und Kritikerinnen der Maßnahmen infrage gestellt. … weiter

Download „Politische Soziologie der Corona-Proteste – Grundauswertung“ als pdf-Datei


Quelle:
www.idw-online.de
www.unibas.ch

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 19: Das Jahr des Büffels, oder: Von China lernen, heißt siegen lernen

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 19


Das Jahr des Büffels, oder: Von China lernen, heißt siegen lernen

„Ich denke, um das Leben aushalten zu können,
muss man ein wenig zuversichtlicher sein,
als es die Umstände hergeben.“
(Karen Duve)

Heute Morgen betrat ich eine Apotheke in meiner Nachbarschaft. Man hatte mich vor langen Schlangen gewarnt, aber da wartete niemand und ich konnte sofort eintreten. „Herr Spahn schickt mich“, sagte ich, „ich kann und soll mir hier drei FFP2-Masken abholen“. „Wir warten auch drauf“, erwiderte die Apothekerin, „der Paketbote müsste jeden Moment kommen. Wir rufen Sie dann gern an.“ Ich sagte, das sei nicht nötig. Ich würde später noch einmal vorbeischauen, so dringend sei es nicht. Am nächsten Morgen, als die Apothekerin mich über die Kreuzung auf die Apotheke zukommen sah, kam sie mir entgegen und drückte mir die Masken in die Hand. Es funktioniert also doch. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 16: Wir leben in einer Zeit der Umbrüche – aber wohin gehen wir?

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 16

Wir leben in einer Zeit der Umbrüche – aber wohin gehen wir?

In katastrophalen Zeiten, wenn es aussieht,  als würde
die Welt bald untergehen, führen die Verrückten das große Wort:
Neue Religionen werden erfunden, seltsame Sekten, bizarre
Philosophien, verzweifelte Versuche, mit dem Unerträglichen
fertigzuwerden. Eine durchaus menschliche Reaktion.
Weltuntergangswahn.“
(Paul Auster)

Endlich scheint der lange Wahlprozess in den USA einen halbwegs glimpflichen Ausgang zu finden. Bleibt abzuwarten, was Trump noch an vergifteten Pfeilen im Köcher hat. Narzissten seines Kalibers treten nicht einfach so zur Seite und verschwinden lautlos und übergeben das Weiße Haus besenrein an ihren Nachfolger. Sie haben eine Tendenz, ihren Abgang in ein großes finales Feuerwerk zu verwandeln. Ich sagte das bereits verschiedentlich. Was bleibt, ist die Tatsache, dass Trump von über siebzig Millionen Amerikanern und Amerikanerinnen zum zweiten Mal gewählt worden ist. … weiter

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Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 14: Hereinbrechende Ränder

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 14

Hereinbrechende Ränder

„In der Einstellung zu ihren Randzonen
enthüllt sich eine Gesellschaft als ganze.“
(Jean-Claude Schmitt)

Am Samstagvormittag hatte ich mich mit einem Freund zu einem Spaziergang verabredet. Wir trafen uns am Marktplatz. Als wir losgehen wollten, drang aus einer Seitenstraße martialisches Gebrüll. Es klang, als ginge es Leben und Tod. Jemand rannte in diese Richtung und rief in unsere Richtung: „Wenn ihr mal brutale Polizeigewalt sehen wollt, kommt mit.“ Wir folgten dem Mann in gebührendem Abstand. In Höhe des Stadtkirchenturms sahen wir, dass vor einer Kapelle ein heilloser Tumult herrschte. Beschimpfungen flogen durch die Luft. Hier trifft sich seit Jahren eine harte Trinkerszene. Ein Freund, der ein paar Häuser weiter wohnt, berichtet mir immer wieder, mit wie viel Lärm die Anwesenheit dieser Leute verbunden ist, und zwar rund um die Uhr. Aus der Entfernung sahen wir, dass die Polizei bereits vor Ort war. Wahrscheinlich war zwischen den Hardcoretrinkern ein Streit ausgebrochen, der handgreiflich ausgetragen wurde, und Anwohner hatten die Polizei informiert. Die Lage war unübersichtlich und wir beschlossen, einen Bogen um den Schauplatz der Auseinandersetzung zu machen. … weiter

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