Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 38: Entfremdung zweiten Grades

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 38

 

Entfremdung zweiten Grades

„… wahrscheinlich war sich die Mehrzahl in einer wirklich kritischen Situation niemals der Krise bewusst …“
(Erich Fromm)

Samstag, der 25. September

Die CDU holt auf den letzten Metern auf, der Vorsprung von Olaf Scholz schmilzt laut jüngsten Umfragen dahin. Es scheint nun doch ein Kopf-an-Kopf-Rennen zu werden. Der Wahlsieger genießt das Privileg, das Gesetz des Handelns in der Hand zu haben und zu Gesprächen einladen zu dürfen. Das könnte über mögliche Koalitionen entscheiden. Ich traue es den Grünen zu, auch an einer sogenannten Jamaika-Koalition mitzuwirken.

Nun gut, morgen Abend wissen wir mehr. Hier in Gießen waren gestern über 1.000 Menschen auf den Beinen, um an einer Demonstration für aktiven und raschen Klimaschutz teilzunehmen. So viele waren es lange nicht mehr. Es war symbolisch für die Lage im Land: Auf der einen Fahrspur zog ein Demonstrationszug für eine Wende in der Klima- und Verkehrs-Politik durch die Stadt, auf der anderen fuhren hupend soundverstärkte Limousinen und SUVs. Einstweilen sind die Autofahrer noch deutlich in der Überzahl. Es gibt jede Menge Leute, die den Ernst der Lage ignorieren und so weitermachen wollen, wie bisher. Nachmittags hockten vielleicht zweihundert Klima-Aktivisten und Aktivistinnen vor dem Rathaus am Boden und lauschten einer Podiumsdiskussion, zu der Fridays for Future die Gießener Direktkandidaten für die Bundestagswahl eingeladen hatten. … weiter

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Gewerkschaftliche Kernforderungen nach der Bundestagswahl 2021

Der DGB Bundesvorstand hat sich am heutigen Dienstag in Berlin erneut mit dem Ergebnis der Bundestagswahl beschäftigt. Mit Blick auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen bekräftigen die Gewerkschaften die Forderungen, die sie bereits im November 2020 und im Rahmen der Kampagne „ECHT GERECHT: Zukunft solidarisch gestalten“ an die politischen Parteien gestellt haben.

Dazu der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann: „Unser Land steht vor großen Veränderungen und Herausforderungen. Es geht um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft, die Zukunft unserer Arbeitswelt und Wirtschaft angesichts von Klimawandel und Digitalisierung, um Geschlechtergerechtigkeit, gute Bildung, Chancengleichheit und unsere Demokratie in Deutschland und Europa. Wir brauchen einen Aufbruch, um die Herausforderungen in diesem Land stemmen zu können. Jetzt kommt es darauf an, dass schnell eine handlungsfähige Regierung gebildet wird, die dann die Weichen richtig stellt.“

Folgende Punkte muss die neue Bundesregierung zügig umsetzen: 

1. Die Handlungsfähigkeit des Staates stärken – mehr Investitionen für die Transformation, den Wandel nachhaltig gestalten und Wohlstand sichern

  • öffentliche und private Investitionen stärken, ein umfangreiches staatliches Investitionsprogramm von zusätzlich mindestens 45 Mrd. Euro pro Jahr für zehn Jahre umsetzen, zur Finanzierung die Schuldenbremse abschaffen, zumindest aber mehr Spielräume und Ausnahmen für (Zukunfts-)Investitionen einführen oder alle Möglichkeiten ausnutzen, öffentliche Investitionen auch bei bestehenden Schuldenregeln ausweiten zu können (beispielsweise über öffentliche Investitionsgesellschaften und Extrahaushalte), Tilgungspläne für Corona-Schulden verlängern.
  • ein gerechtes Steuersystem einführen – mit Mehreinnahmen bei Erbschafts-, Vermögens und anderen Steuern und gleichzeitiger Entlastung der Normal- und Geringverdienenden im Bereich der Einkommenssteuer.
  • den klimaneutralen und beschäftigungssichernden Umbau bestehender Wirtschaftsstrukturen und vorhandener Wertschöpfungsnetzwerke aus Industrie und Dienstleistungen vorantreiben.
  • die nachhaltige Energie-, Verkehrs- und digitale Infrastruktur ausbauen und Planungsverfahren beschleunigen.
  • den Ausbau erneuerbarer Energien und Aufbau einer Wasserstoff-Wirtschaft beschleunigen.
  • die Stromkosten für Unternehmen und private Haushalte (Steuerfinanzierung der EEG-Umlage) senken.
  • eine proaktive Strukturpolitik für die Regionen umsetzen und Transformationsräte und -netzwerke einrichten, Industrie und Schlüsseltechnologien im Land halten oder neu ansiedeln.
  • eine umfassende öffentliche Daseinsvorsorge und innere Sicherheit gewährleisten, kommunale Altschulden durch Bund und Länder übernehmen, mehr in bessere Infrastruktur, Bildung, Digitalisierung, bezahlbares Wohnen, Mobilität, lebenswerte Regionen, gute Kitas, Schulen und Unis und bedarfsgerechte Personalausstattung im Öffentlichen Dienst investieren.

2. Tarifbindung und Mitbestimmung stärken

  • ein Bundestariftreue- und vergabegesetz (auch für Bundesunternehmen) einführen.
    die Instrumente zur Stärkung von Tarifverträgen (z.B. Allgemeinverbindlicherklärung) ausbauen.
  • Regelungen zum (digitalen) Zugangsrecht für Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte schaffen bzw. erweitern.
  • das Initiativ- und Mitbestimmungsrecht für Betriebsräte z.B. bei Arbeitszeiterfassung, Personalbemessung, Ein- und Durchführung betrieblicher Qualifizierungsmaßnahmen, Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsmaßnahmen, Fragen der Gleichstellung, Durchsetzung von Entgeltgleichheit und Vereinbarkeit von Beruf und Familie einführen. Entsprechende Regelungen braucht es im Bundespersonalvertretungsgesetz.
  • legale Schlupflöcher zur Vermeidung der Unternehmensmitbestimmung im deutschen und europäischen Recht schließen, effektives Sanktionsregime bei Nichtanwendung von Mitbestimmungsgesetzen schaffen.
  • die Unternehmensmitbestimmung modernisieren, das Doppelstimmrecht der oder des Aufsichtsratsvorsitzenden für alle Maßnahmen der strategischen Ausrichtung des
  • Unternehmens durch Schlichtungsverfahren ersetzen

3. Die Arbeitswelt der Zukunft gestalten – Ordnung auf dem Arbeitsmarkt schaffen

  • gute Arbeitsbedingungen sichern, die Öffnung des Arbeitszeitgesetzes verhindern, die Rechte der Arbeitnehmer*innen stärken und ein eigenständiges Beschäftigtendatenschutzgesetz schaffen.
  • die Nationale Weiterbildungsstrategie u.a. mit dem Ziel fortführen, ein Recht auf lebensbegleitendes Lernen unabhängig vom Lebensalter und sozialem Status einzuführen sowie finanziell abzusichern und umfassende, verbindliche und passgenaue Freistellungs- und abgesicherte Weiterbildungsansprüche durchsetzen.
  • eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie, die Jugendlichen den Übergang von der Schule in den Beruf öffnet, einführen und einen Pakt für berufliche Schulen abschließen.
    den Mindestlohn auf mindestens 12 Euro erhöhen, Ausnahmen abschaffen, die Durchsetzung verbessern.
  • prekäre Beschäftigungsformen und ihren Missbrauch überwinden, sachgrundlos befristete Beschäftigungsverhältnisse abschaffen, Dauerstellen für Daueraufgaben schaffen, Minijobs reformieren und Saisonarbeit regulieren.
  • einen Rechtsrahmen für freiwilliges und gesundheitsgerechtes mobiles Arbeiten inklusive Homeoffice setzen.
  • einen Rechtsrahmen für die Einführung und Nutzung neuen Technologien wie Künstliche Intelligenz definieren.

4. Den Sozialstaat stärken – Sicherheit im Wandel garantieren

  • die solidarische Finanzierung und paritätische Beiträge von Renten-, Pflege-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung sichern.
  • die Pflegeversicherung zu einer Pflegebürgervollversicherung weiterentwickeln.
  • das Rentenniveau dauerhaft bei 48 Prozent stabilisieren und in weiteren Schritten anheben ohne Beitragssatz auf 22 oder gar 20 Prozent zu deckeln.
  • das Rentenalter nicht anheben und flexible Übergänge in die Rente fördern.
  • die betriebliche Altersversorgung stärken.
  • eine Kindergrundsicherung einführen.

5.10.2021
www.dgb.de

„Die neue po­li­ti­sche Nor­ma­li­tät „

Daniel Haufler veröffentlichte am 26.9.2021 im gewerkschaftlichen Debattenmagazin des DGB  „Gegenblende“ den empfehlenswerten Artikel „Die neue politische Normalität“ – eine Analyse der Bundestagswahl ’21:

Die neue politische Normalität
Die CDU erleidet das erwartete Wahldebakel, und die SPD holt ein gutes Ergebnis, aber nur in etwa so gut wie 2013. Nach einem oft müdem Wahlkampf, gibt es keine großen Volksparteien mehr – und dafür viele Koalitionsmöglichkeiten von drei Partnern. Eine wenigstens halbwegs soziale und ökologische Politik wird nur mit der Ampelkoalition möglich sein. Trotz vieler überholter Vorstellungen der FDP. Den ganzen Artikel lesen

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 37: Frühe Verschickungen

 

Götz Eisenbergs Durchhalteprosa 37

 

Frühe Verschickungen

„Während der Wissenschaftler immer darauf bedacht ist, die Wirklichkeit, so wie er es braucht, aufzuspalten, um die der technischen Einwirkung des Menschen zu unterwerfen, um die Natur zu überlisten in einer Haltung des Misstrauens und der Kampfbereitschaft, behandelt der Philosoph die Natur als Gefährtin. Die Richtschnur der Wissenschaft ist jene, die Bacon aufgestellt hat: gehorchen, um zu herrschen. Der Philosoph hingegen gehorcht weder, noch herrscht er; ihm ist darum zu tun, einen Gleichklang zu finden.“
(Henri Bergson)

Ich muss bei Olaf Scholz Abbitte leisten. Vor einer Weile hatte ich mich darüber lustig gemacht und mein Unverständnis darüber geäußert, dass er sich hartnäckig als kommenden Kanzler phantasierte, und nun scheint das durchaus im Bereich des Möglichen zu liegen. Weniger allerdings durch eigene Verdienste, als durch Fehler seiner Konkurrenten. Vor allem Frau Baerbock hat viel dafür getan, ihre und der grünen Partei Chancen zu schmälern. Gewisse Medien haben ihre Schwächen und Fehler weidlich ausgeschlachtet und an ihrer Demontage heftig mitgearbeitet. Sie ist relativ unerfahren und ungeübt in die „Todeszone der Politik“, wie Joschka Fischer die Spitzenregion einmal genannt hat, eingedrungen und man hat ihr übel mitgespielt. … weiter

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Bundestagswahl wird zur Bildungswahl – Studierende befragen Parteien – Studierende fordern mehr Bildungsexpertise im Parlament!

Bericht: freier zusammenschluss von student*innenschaften (fzs)

Der Bundesverband der Studierendenvertretung stellt seit Sonntag den Studi-Mat als Wahlpositions-Vergleichstool für Hochschulpolitische Themen bereit. 30 Thesen wurden von den Parteien, die auch in der Hochschulpolitik aktiv sind, beantwortet.

„Natürlich geht es bei der Bundestagswahl um eine Masse an Themen, gerade jetzt, um den Weg aus der Corona-Krise und der Bildungskrise zu finden, ist es wichtig das viele Jung- und Erstwählende wissen welche Antworten die Parteien zu unseren Fragen haben“, sagt Daryoush Danaii
(fzs Vorstand).

Der Studi-Mat wurde von einer Reihe von studentischen Vertreter*innen entwickelt. Dabei geht es von BAföG über Wohnen bis hin zu Hochschulfinanzierung. Wichtig ist, dass sowohl die Fragen als auch das Ergebnis nicht alleinig die Wahlentscheidung bestimmen sollten, sondern nur einen Vergleich darstellen.

„Oft geht im Wahlkampf die Situation an den Hochschulen, sowie die Herausforderungen für Studierende unter. Das darf nicht sein, uns war es wichtig das die Parteien sich klar positionieren und die studentischen Themen endlich berücksichtigt werden“, fordert Matthias Konrad.

Wir rufen alle Studierenden auf am 26.09 zur Wahl zugehen und mitzuentscheiden. Gegenüber den anderen Gruppen sind wir wenige, da zählt jede Stimme für ein Ende der Bildungskrise!

„Wer sich noch unsicher ist wo er*sie seine Kreuzchen am Sonntag setzt, kann jetzt mit dem Studi-Mat in wenigen Minuten unter: studimat.fzs.de erfahren, welche Partei welche Pläne für die Bildungspolitik hat“, freut sich Lone Grotheer.

zum Studi-Mat


22.9.2021
freier zusammenschluss von student*innenschaften (fzs) e.V.
www.fzs.de

 

Unterrichtsmateral: Bundestagswahl 2021

Rezension: Günther Schmidt-Falck

Hanisauland.de  hat umfangreiches Material Bundestagswahl 2021 zusammengetragen:

  • Infos zum Wahlsystem (Regeln, Wahlablauf usw.)
  • Was heißt denn „demokratisch“
  • Wer darf gewählt werden: die Kandidat/innen und die Stimmzettel
  • Erst- und Zweitstimme
  • Wahlrecht für Jugendliche?
  • der Zeitplan bis zur Wahl im September
  • Wahlkampf
  • Das Wahlquiz mit der Kanzlerin
  • Lexikoneinträge zur Wahl
  • eine Hörreise ist auch dabei.
  • Wie geht es nach der Wahl weiter?
  • für Sek I ab Klasse 5 und vereinzelt für GS 4. Klasse

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GEW Bayern kritisiert: Politischer Wahlkampf auf Kosten der Gesundheit

Die Forderungen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern (GEW) nach wirksamen Maßnahmen im Kampf gegen das Corona-Virus, um Bildungseinrichtungen sicher öffnen zu können, blieben in den letzten Monaten weitgehend ungehört. Jetzt wurden in Bayern entgegen wissenschaftlichen Erkenntnissen die Bedingungen für Schulöffnungen geändert – neuer Richtwert ist nun der Inzidenzwert 165. Damit ist klar, dass es schon lange nicht mehr um die Gesundheit der Menschen geht. Der Wahlkampf hat ihr den Rang abgelaufen – die Risiken tragen die Beschäftigten in den Bildungseinrichtungen, die Kinder und Jugendlichen. Weiterlesen

Bundestagswahl 2021: Die Schul- und Bildungsdigitalisierung und ihre leeren politischen Signifikanten

Wovon in puncto Digitalisierung die Parteien schweigen, darüber muss der, wer eine echte Wahl haben will, reden!

von Bernd Schoepe

„Alle Veränderungen sind nur Änderungen des Themas.“
César Aira, argentinischer Schriftsteller, Compleaños, 2001

Es gehört zu den Eigenarten des nun schon seit über einem Jahr andauernden, bereits an sich höchst eigenartigen Interregnums des Corona-Narrativs, dass es dieses Thema – wie kein anderes je zuvor – vermocht hat, die öffentliche Debatte und mediale Wahrnehmung fast restlos in Beschlag zu nehmen.

In einer vorher noch nicht dagewesenen Weise wurde das Feld öffentlicher Aufmerksamkeit auf SARS-CoV-2 und die pandemischen Folgen fokussiert, ja diesbezüglich dergestalt okkupiert, dass seitdem in seinem Windschatten kein anderes Themenpflänzlein mehr gedeihen kann. So als gäbe es kein gesellschaftliches Morgen mehr, sondern nur noch den Kampf aller (?!) gegen den Tod in Form eines unsichtbaren und offenbar besonders heimtückischen Virus, wurden alle anderen globalen Probleme unter der nicht abreißenden Lawine der Inzidenzzahlen von auf SARS-CoV-2 positiv Getesteter, in der medialen Arena begraben. … weiter


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